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Gemeinsame Geländefreuden Meinen Freund Gerd lernte ich im Sommer 1975 auf der Moto-Cross-Strecke in Dom Esch kennen. Dort übte ich mich damals mit Begeisterung im Trial- und Moto-Cross-Fahren. Samstags und sonntags fanden sich dort regelmäßig bis zu zwölf junge Herren aus der Region ein, um mit ihren Moto-Cross-Rennmaschinen oder auch mit ihren Enduros, im Gelände sportlich zu fahren. Damals hatte ich schon den ausgeprägten Ehrgeiz mit meiner relativ pummeligen Enduro die „Kollegen“ auf ihren Cross-Maschinen zu jagen und schließlich zu überholen. Das war keine leichte Aufgabe und gerade deshalb wohl für mich eine Herausforderung, denn meine Suzuki TS 250 aus dem Jahre 1974 war abgespeckt immer noch 125 kg schwer und nur 19 PS stark, wohingegen die käuflichen Cross-Renner der Marken Maico, Husqvarna, KTM, Suzuki und Yamaha durchschnittlich ca. 100 kg wogen, über ca. 40 PS verfügten und mit sehr viel besseren Fahrwerkskomponenten ausgestattet waren. Naturlich waren ein Jürgen Nass aus Euskirchen , die Clubfreunde Bruno und Franz Dohmen aus Schwerfen und aus Euskirchen Theo Weißweiler zu schnell für mich auf meiner Enduro. Bei dem Rest der erschienenen Cross-Kollegen - und das war durchaus eine Mehrzahl – war ich bei solchen Jagdaktionen sehr erfolgreich. Die Folge war allerdings, dass die so überholten unmittelbar nach dem Überholvorgang ihre Fahrt beendeten und meine eigene Fahrpause abwarteten bevor weitergefahren wurde. Von den Enduro-Leuten fuhr eh keiner mehr mit mir, weil die schon nach wenigen Runden von mir überrundet wurden. Das war für diese „Abgehängten“ wohl irgendwie und verständlicherweise frustrierend. Ich indessen machte mir so einige philosophische Gedanken über die Einsamkeit an der Spitze. Aber ich sah andererseits auch nicht ein, mich einem Tempo und einem Fahrstil anzupassen, der nicht zu dem meinem passte, schließlich war mein freie Zeit auch nur begrenzt.
Schon bei meiner ersten Begegnung mit Gerd auf der Cross-Piste stellte ich fest, dass Gerd mit seiner Enduro, einer Yamaha DT 360, ähnlich flott unterwegs war wie ich. Wir passten vom Fahrstil her gut zusammen. Deshalb fanden wir schnell Kontakt zueinander. In den nachfolgenden Jahren jagten wir an zahllosen Wochenenden in Dom Esch oder auch in der Kiesgrube bei Miel nicht nur die Crossfahrer sondern auch einander unendliche Runden, nur um zu sehen, wer am Ende von uns beiden die Nase vorne behält. Uns hatte es sehr viel Spaß gemacht. Ein Teil der Endurofahrer, zu auch Gerd und ich gehörten, hatte sich zu einer Clique zusammengefunden. Außer in der Kiesgrube trafen wir uns regelmäßig einmal im Monat zu einem Stammtisch. Geburtstage und andere persönliche Feste wurden gemeinsam gefeiert und wir fuhren gemeinsam zu Motorradsportveranstaltungen. Wenn ich im Gelände auch eine durchaus gute Figur abgab, so war Gerd auf Eifelsträßchen von mir unerreichbar flott unterwegs. Wundern konnte ich darüber aber nicht, denn er hatte zu der Zeit im Fahren von Landstraßen schon viele Jahre Erfahrungen mit größeren und schnelleren Motorrädern gesammelt. Und so wie er mit mir durch die Kiesgruben preschte, war er zuvor mit einem gewissen Stefan Janssen aus Euskirchen um die Nürburgring Nordschleife unzählige Runden gejagt und dieser Stefan Janssen war anschließend mehrfacher Deutscher Vizemeister im Motorrad-Straßenrennsport. Die letzte große gemeinsame Tour mit Gerd war
die Abschiedstour unserer Freunde Rudi und Sybille aus Wesseling,
die anschließend nach Heidenheim zogen. Die Tour ging zur
Martemes-Mühle im September 1989. Nach meiner Heirat hatte ich
1986 das Motorradfahren im Gelände schon aufgegeben. Diese
gemeinsame letzte Tour erfolgte bei strömendem Regen über ca.
300 km Eifelstraßen und mindestens tausend Kurven. Meine Liebste
war bei der Tour Sozia auf meiner BMW R 80 G/S. Gerd und sein
Frau Sybille fuhren indessen mit seiner auf auf Straßenbereifung
umgerüsteten Yamaha XT 600. Gerd hatte da schon seine Enduro zu
einer Super-Moto umgebaut, wenngleich es dieses Wort damals noch
nicht gab. Gerd war mit seinem privaten Umbau somit schon seiner
Zeit um Jahre voraus. Nach der Tour und dem Umzug von Rudi und
Sybille nach Heidenheim löste sich die Clique mehr oder weniger
auf. Wiederentdeckte Gemeinsamkeiten Etwa zwanzig Jahre lang bestand keinerlei Kontakt mehr. Gleichwohl hat mich meine Leidenschaft für motorisierte Zweiräder bis heute nicht verlassen. Am 1. Mai 2010 nahm ich mit der NSU-Quickly meiner Frau an der Motorrad Oldtimer-Rallye in Dom Esch teil. Nach der morgendlichen Rundfahrt um Euskirchen und Zülpich fand die Mittagspause in Dom-Esch statt. Weil ich dabei noch etwas Zeit hatte bis zu meinem Start für die Nachmittagsausfahrt, bummelte ich durchs Fahrerlager und zu den Zuschauerparkplätzen um mich am Anblick der vielen tollen Motorräder zu erfreuen. Dabei fiel mir eine moderen Enduro mit der Aufschrift „Beta Alp 4“ auf, und zwar einerseits wegen des simplen luftgekühlten 350 ccm Motors von Suzuki und des filigran leichten und dennoch stabil anmutenden Fahrwerks. Auch den für so ein leichtes Motorrad außerordentlich breite Geländereifen auf dem Hinterrad in der Dimension 140/80 X18 fand ich außergewöhnlich. Als alter Geländefan schaute ich sie mir lange an. Als ich mich anschließend wieder auf den Rückweg in Richtung Quickly machte, kam mir jemand entgegen, den ich sofort als Gerd Geyer identifizierte. Sein Gesicht mit dem Bart und seine Statur hatten sich seit damals kaum verändert. Kein Zweifel, das war der Gerd. Ich freute mich ihn nach all den Jahren wieder zu sehen und sprach ihn beim Vornamen an. Im Gegensatz zu ihm hatten die letzten 22 Jahre an mir offenbar sichtbare Spuren hinterlassen, denn er erkannte mich nicht sofort und erst als ich mit meinem Namen nachhalf, leuchteten seine Augen auf und es war alles klar. „Ich hatte auch gar nicht damit gerechnet, dich dort zu treffen“, erzählte er mir später. Wir unterhielten uns sofort viel und ich erfuhr dabei, dass es seine Beta war, die zuvor so sehr mein Interesse geweckt hatte. Ja, dachte ich mir, wem sollte die Beta auch sonst gehören wenn nicht dem Gerd Geyer, ein Motorrad, das unbedingt zu ihm passt. Über das lange Gespräch vergaß ich fast meinen Start. Vor dem Abschied tauschten wir noch schnell die Adressen und die Telefonnummern aus um in absehbarer Zeit mal wieder eine gemeinsame Runde in die Eifel zu „knallen“. Schon vor dem nächsten Wochenende rief Gerd mich an, wir erzählten uns am Telefon mindestens eine Stunde lang über das, was früher gemeinsam war und was seitdem mit uns geschehen war. Die nachfolgende Tour war klasse: In Tempo und Fahrenergie harmonierten wir bestens miteinander und seitdem sind wir fast jedes Wochenende an mindestens einem Tag gemeinsam unterwegs und spulen dabei oft 300 km in etwa vier Stunden ab. Als Gerd mir vor einigen Wochen von seinem Besuch der Motorrad-Oldtimer-Rallye in Mechernich erzählte und was er selbst mit seiner Horex Regina 400 mit 22 PS 1967 bis 1968 regelmäßig bei den Fahrten zwischen Mechernich und seiner Bundeswehrkaserne in Amberg, in der Oberpfalz bei Tempo ca. 130 km/h auf der Autobahn erlebte, wurde mir bewusst, dass Gerds Geschichte mit Motorrädern eine außergewöhnliche ist, und sich deshalb anbietet für einen Gang durch die Geschichte des Motorrads seit den 1960er Jahren, in die Gerds eigene Motorradgeschichte eingebunden ist. |
Kurzsteckbrief |
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Swisttal, im Juli 2011
Text: Hans Peter
Schneider
Fotos: Archiv Gerd Geyer, Hans Peter Schneider