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Über die Riedel Imme, ein 100 ccm Leichtmotorrad (gebaut von 1949 – 1951) wurde schon viel geschrieben. Von den ehemals gefertigten 12 000 Stück haben etliche überlebt. Man findet sie in Museen sowie bei Sammlern und Liebhabern - auch ich besitze eine. Vor allem der „Imme Freundeskreis“ unter Heinrich Egger in Oberstaufen im Allgäu kümmert sich in vorbildlicher Weise um die Belange seiner etwa 170 Mitglieder. Er hilft mit Rat und Tat, stellt technische Daten und Anleitungen zur Verfügung und hat schon manche Nachfertigungsaktion in Gang gesetzt. So ist es trotz einer prekären Ersatzteilsituation kein unüberschaubares Abenteuer, eine Imme zu restaurieren und zum Laufen zu bringen – falls man überhaupt noch eine ergattert. Ganz anders sieht es bei den Zweizylindermaschinen aus. Der von Norbert Riedel entworfene 150 ccm Motor wurde im Fahrwerk der 100 ccm Version erprobt. Dabei wurde die Engstelle im Auspuff - die Durchführung der Hinterradachse – geringfügig entschärft, indem eine Aufnahme der Achse oberhalb des Auspuffrohres angebracht wurde. Weiterhin wurde sogar eine Teleskopgabel in Verbindung mit einer größeren Bremse getestet, die das zulässige Gesamtgewicht um 5 kg erhöht hätte. Riedel veröffentlichte schon vor dem geplanten Serienanlauf die wichtigsten Daten – ich habe diese in einem bekannten Buch von Trzebiatowski sowie in „Motorrad-Typen 1951-1953“ von C.O. Windecker gefunden. Bedingt durch den frühzeitigen Konkurs kam das Modell nicht mehr auf den Markt. Meines Wissens ist es nicht bekannt, ob und wo überhaupt noch ein 150 ccm Motor überlebt hat. Nur wenige 175er Zweizylinder zur
Nachrüstung Kurbelwelle mit vielen Klemmstellen Getriebe-Wunderwerk und zugleich
Armseligkeit In der hohlen Getriebewelle befindet sich der Ziehkeil, der durch Verschieben jeweils an das zu verbindende Zahnrad (Losrad) geführt wird und die Kugeln in entsprechende Aussparungen des Zahnrads drückt. Da sowohl die Kupplung als auch das Kettenritzel des Sekundärantriebes auf einer gemeinsamen Welle sitzen, erfolgt der Kraftschluss im großen (3.) Gang direkt ohne Beteiligung von Zahnrädern, weil diese nur lose mitlaufen – sehr ökonomisch und verschleißarm. Eine Konstruktion, die allerdings schon lange vor Riedel bekannt war und angewendet wurde, heute leider aber kaum noch vorkommt. Die Ziehkeilverlängerung liegt außen vor dem Antriebsritzel und wird über einen Hebelmechanismus bewegt. Dieser Mechanismus wird über einen Stahldraht (Klaviersaite) von einem Schaltdrehgriff am linken Lenkerende betätigt und arbeitet sowohl auf Zug als auch auf Druck. Im Schaltgriff befindet sich dazu ein Gleitstein. (ähnlich wie bei älteren Gasgriffen vor der Erfindung des Schnellgasgriffs) Dadurch wird der Draht weder aufgerollt noch geknickt. Das Schema am Schaltgriff ist folgendermaßen: 1. Gang in
Mittelstellung Einen Getriebeleerlauf hat der gute Norbert Riedel (wie auch vieles andere an diesem Fahrzeug) eingespart. Stattdessen wird in der 1. Gang-Stellung der Kupplungshebel gezogen und durch eine Drahtschlaufe arretiert. Als weitere Besonderheit gibt es einen Überholfreilauf im Zahnrad vom 1. Gang, der ähnlich dem eines TORPEDO Freilaufs mit Klemmrollen arbeitet. Beim Fahren im 1. Gang stellt dieser Freilauf den Kraftschluss mit dem Getriebe her, solange die Motordrehzahl höher als die vom Hinterrad zurückgeführte Drehzahl ist. Beim Gaswegnehmen wird diese Verbindung durch den Freilauf gelöst, bis die Motordrehzahl wieder höher ist. Man kann daher sowohl vom 2. als auch vom 3. Gang ohne zu kuppeln in den 1. Gang schalten und das Fahrzeug bei Standgasdrehzahl des Motors bis auf Fußgängergeschwindigkeit (benzinsparend) ausrollen lassen. Erst dann wird der Kraftschluss wieder hergestellt, wenn man nicht die Kupplung betätigt. Vom Aufbau her genügen diesem Getriebe verblüffend wenige Komponenten und nach meiner Erfahrung ist es obendrein haltbar und zuverlässig – zumindest in der 100 ccm Version. Dazu fällt mir ein treffendes Bonmot ein: „Es ist unnötig, etwas mit mehr zu machen, wenn man es auch mit weniger machen kann“ Bei der niedrigen Leistung und dem guten Drehmoment mögen die 150 ccm Versuchsobjekte ja vielleicht noch mit 3 Gängen ausgekommen sein. Die Aufstockung auf 175 ccm und später nochmals auf 200 ccm führte zu Leistungen bis an die 12 PS. Diese Motoren sollten sogar Mobile antreiben und wurden u.a. von Messerschmitt getestet. Man fragt sich heute, wie das mit 3 Gängen gehen sollte und stellt sich den Rollermobil-Fahrer vor, der an der Ampel mangels Leerlauf das Kupplungspedal durchtreten und festhalten musste. |
Die nachfolgenden Bilder mögen die Unterschiede der Ein- und Zweizylindermodelle etwas verdeutlichen.
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Geschulte Blicke werden die teilweise hohlgebohrte Getriebewelle mit dem Ziehkeil erkennen. Die dicht am Ziehkeil zu sehenden Kugeln sind Schaltkugeln, die beim Verschieben des Schaltkeils durch radiale Bohrungen in Aussparungen des zu schaltenden Zahnrades gedrückt werden und den Kraftschluss zwischen Zahnrad und Welle herstellen. Gleichgroße Kugeln links daneben sind für die Lagerung des Schaftrades bestimmt. Es trägt außen das Kettenritzel für den Sekundärantrieb. Die Vorgelegeräder auf dem Lagerzapfen aus Bronze sind ebenfalls gut zu erkennen. Die dort zu sehenden Kugeln dienen zur permanenten Befestigung der Vorgelegeräder mit der Nabe. Diese Konstruktion (auch nicht von Riedel) funktioniert ähnlich wie eine Keilverbindung, bei der allerdings die Keile schon mal abscheren können.
Bei diesem Fahrzeug ist die Hinterachse noch nicht verlegt, sondern geht wie bei der R 100 durch das Auspuffrohr und führt zu der im Text erwähnten Verengung – eine Leistungsbremse allerersten Ranges. Beim geplanten Einsatz in Mobile (Messerschmitt Kabinenroller) wären sicher herkömmliche Auspuffsysteme verwendet worden. Die wenigen bekannten Zweizylinder Immen, die wirklich gelaufen sind, wurden wohl alle auf 2 separate herkömmliche Auspufftöpfe umgerüstet. Ein Foto einer solchen Maschine findet man z.B. bei Wikipedia. Ein paar Gedanken zu Hub und Bohrung des kleinen Zweizylinders Der 150 er Motor war mit einem Hub von 41 mm und einem Kolbendurchmesser von 48 mm ungewöhnlich kurzhubig ausgelegt. Dies legt die Vermutung nahe, dass es ursprünglich ein 125 er werden sollte, mit 44 mm Bohrung bei 41 mm Hub. Möglicherweise war Riedel in Zugzwang, weil der damals größte Motorenhersteller Fichtel und Sachs gerade einen 150 er Einbaumotor auf den Markt gebracht hatte, der sogar 4 Gänge mit Fußschaltung besaß und schnell eine beachtlich Verbreitung fand. Ebenso gab es schon die ADLER M 150 und die Dürkopp MD 150 stand in den Startlöchern. Möglicherweise wollte Riedel auf diesen fahrenden Zug aufspringen, was wirtschaftlich nur durch Vergrößerung der Bohrung möglich war. Aber weder eine 125 er noch eine 150 er wurden meines Wissens je gesichtet. Erst die ZMG baute rund zwei Dutzend lauffähige Motoren, nunmehr jedoch mit einem Hubraum von 175 ccm bei einer Bohrung von 52 mm mit 41 mm Hub. Dies zeigt, dass die fähigen Maschinenbauer bei ZMG im Grunde nicht unbedingt spezifisches Zweitakt Know-How besaßen. Man hätte sonst nicht auch noch eine 200 er Ausführung gebracht, die mit einem Kolbendurchmesser von 55 mm bei 41 mm Hub nun jeden Rahmen sprengte. Eine leistungsfähige Ultra-Kurzhubtechnik blieb modernen hochdrehenden Viertaktern vorbehalten. Das Wort „Kritisch“ in der Überschrift zu diesem Artikel soll im Grunde meine Hochachtung gegenüber denjenigen ausdrücken, die eine solch heikle Konstruktion auch heute noch in den Griff bekommen und sie sogar auf der Straße einsetzen können.
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Literaturhinweis |
Nettekovens Optimierungsmaßnahmen
Bei einem weiteren Besuch konnte ich noch einige Modifikationen von H.P. Nettekoven begutachten. Ins Auge fallen sofort der zur Seite geführte Vergaser und der Beipass am Auspuffrohr. Die Verlegung des Vergasers war notwendig geworden, weil der original mittig angebrachte Fallstromvergaser bei ausgefedertem Hinterrad gegen den Rahmen stieß. Die schon beschriebene Engstelle im Auspuffrohr wegen der durchgeführte Hinterachse wurde von HPN durch diesen Beipass entschärft. Wunder konnte auch diese Maßnahme nicht bewirken, bleibt doch nach wie vor der enge Gabelstutzen vor der Mündung in das Auspuffrohr. Noch gravierender als die Engstelle Ausspuffstutzen am Zylinder ist nach H. P. Nettekovens fundierter Meinung jedoch die ungünstige Motorsteuerung: Kurz bevor der aufwärtsgehende Kolben den Auslassvorgang beendet, öffnen bereits die Überströmkanäle und ein Teil der Frischgase gesellt sich noch schnell verlustreich zu den restlichen Auspuffabgasen. Bei entsprechender Auslegung des Schalldämpfers entsteht eine zurücklaufende Druckwelle, die dem entgegenwirkt. Beim Zweizylindermotor wird dieser Vorgang durch den jeweiligen um 180 Grad versetzt arbeitenden Zylinder massiv gestört, wenn beide Auslasstrakte in den gleichen Sammler münden. Immerhin wird der Motor nicht mehr so heiß wie zuvor, woran auch das von HPN aus VA-Blech gefertigte Lüfterrad Anteil haben mag. Wer die Arbeitsweise von HPN kennen gelernt hat, wird sich kauf darüber wundern, dass die Lüfterflügel(chen) mit Hilfe des Teilkopfs entstanden und einzeln per Messuhr (!) zum Fluchten gebracht wurden. Hans
Perscheid |
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Restaurierungsbericht Moped von Stricker
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Text: Hans
Perscheid
Fotos: Hans Perscheid