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Helmut „Speedy“ Clasen Kölner wurde „Gelände-Legende in Nordamerika“

Garmisch 1962 Speedy düpiert die Weltspitze als Privatfahrer mit einem gebrauchten Motorrad

Die internationale Gelände-Sechstagefahrt für Motorräder, bzw. die Sixdays, fanden 1962 einmal mehr im sagenhaften „Wunderwald“ von Garmisch-Partenkirchen statt. Dieser Ort hatte zu der Zeit als deutscher Austragungsort der Sixdays schon Tradition. In den 30er und in den 50er Jahren fand die „Olymiade des Motorradsports“, wie die Sixdays auch genannt werden, bereits mehrmals dort statt. 1962 hatte das Deutsche Wirtschaftswunder noch Hochkonjunktur. Diese Sixdays des Jahres 1962 prägten sich indessen sehr nachhaltig in den Köpfen der Motorradsportwelt ein. Dazu hatte nicht zuletzt mit dem Beginn der Veranstaltung einsetzender langandauernder Regen beigetragen, weshalb viele Streckenpassagen in dieser tollen oberbayrischen Landschaft äußerst schwierig und mit hohen körperlichen Anstrengungen verbunden zu fahren waren. Danach sollten die Behörden nur noch ein einziges Mal die Veranstaltung um Garmisch-Partenkirchen herum genehmigen, nämlich 1969. Dem im Werdenfelser Land und dort besonders um die Zugspitze herum stark gewachsenen Fremdenverkehrs-Gewerbe war eine solche Veranstaltung nach 1969 nicht mehr zuzumuten.


Plakat der „6-Tage-Fahrt“ 1962

Die Sixdays1962 wieder einmal in Deutschland, das brachte nochmals Aktivitäten in die deutsche Motorradindustrie. Von den wirtschaftlichen Erfolgen der frühen 1950er Jahre konnten die zahlreichen noch vorhandenen namhaften deutschen Motorradhersteller nur noch träumen. Dennoch wollte sich offenbar keiner der Hersteller eine Teilnahme an dieser wohl bedeutendsten und damals noch überaus werbewirksamen Sportveranstaltung versäumen. BMW, DKW, Zündapp, Zweirad Union, Hercules und Kreidler traten mit eingenen Werksfahrern an. Von den 286 Startern kamen alleine 105 aus Deutschland.


Clasen zusammen mit seinen Clubfreunden aus Porz

Nachdem Helmut Clasen bei den nationalen Ein-, Zwei- und Dreitagesfahrten mit sehr guten Erfolgen abgeschnitten hatte, stand 1962 erstmals die „6-Tage-Fahrt“ auf seinem Plan, zumal diese in Deutschland stattfand. Außerdem starteten von seinem Porzer Club viele andere gute Fahrer, sodass die Veranstaltung für Ihn fast familiären Charakter haben konnte. Inzwischen hatte er sich auch eine neue „Gelände-DKW“ mit 175 ccm zugelegt. Zwar war diese schon gebraucht, aber immerhin eine ehemalige Werksmaschine aus dem Vorjahr, und zwar die von Harald Uhlig. Sein reges Training und die Teilnahme an den vielen Veranstaltung der letzten Jahre machte Helmut Clasen auf dem Motorrad zuverlässig und superschnell. Das zeigt sich auch bei den Sixdays.

Der ehemalige Sechstagefahrer und Motorrad-Journalist Robert Poensgen schreibt in seinem Buch „Geröll Motoren feine Kerle“ voll des Lobes über Clasen auf seiner „... keineswegs mehr taufrischen 175 ccm DKW“, der damit „in seiner Klasse immer wieder unter den schnellsten Fahrern zu finden ist und sogar den deutschen Werksfahrern die Hölle einheizt! Allein Lorenz Müller kann bis zum Schluss dieser sechs Tage knappe 9 Punkte gegen Clasen gutmachen. Witzel, Specht, Seitz, Abt und Liedl – um nur die deutschen Spitzenfahrer zu nennen – werden glatt geschlagen! Und dieser Helmut Clasen fährt immerhin seine erste Sechstagefahrt!“

Leo Keller schreibt in seinem vorzüglichen Artikel „100 Jahre Sixdays – Die Deutschen“, in: MO Klassik Motorrad, Sonderausgabe GS, Heft 2: „Eine tolle Leistung zeigte auch DKW-Fahrer Helmut Clasen aus Rösrath, der auf seiner „175er-Gebrauchtmaschine“ … Tag für Tag ordentliche Zeiten fuhr und am Ende als reiner Privatfahrer auf Platz sechs landete“. Clasen gewann damit eine Goldmedaille. Zudem war bei ursprünglich 286 gestarteten Fahrern der sechste Platz für einen Privatfahrer ein Traumergebnis. Im Übrigen lag Clasen nur wenige Punkte hinter dem tschechischen Starfahrer Zdenek Polanka. Für die deutsche Motorradsport-Welt war Clasens Erfolg eine Sensation, zumal die erfolgsverwöhnte deutsche Trophy-Mannschaft schon früh aus dem Wettbewerb geschieden war.


Geländefahrten waren schon immer Schwerstarbeit für Fahrer und Motorrad


Dabei wäre es für Helmut Clasen auf den letzten Metern des letzten Tages beinahe noch zu einem Aus gekommen. Im Offroadforum schildert Helmut Clasen fast 50 Jahre später wieviel Glück er doch beim Schlussrennen hatte, das damals als letzte Prüfung am letzten Fahrtag auf einem asphaltierten Straßen-Rundkurs erfolgte: Das Schlussrennen auf den Geraden langliegend mit Vollgas,... Eine leichte Schlengelkurve über eine Brücke,.. Gleich nach dem Start, bei dem ein Engländer einen wahnsinnigen Blitzstart hinlegte. Und ausgerechnet auf der Brücke guckt er über seine Schulter, wo die Konkurrenz wohl bleibt … Er „misst“ die Schlängelkurve, knallt ins Brückengeländer und drüber, runter und ward nicht mehr gesehen (bis hierhin Zitat von Robert Poensgen). Auf meiner DKW 175 GS (mit einem 1 Zahn größerem Ritzel, schnell montiert) liege ich an 2.Stelle. Eine Maico knapp vor mir. Ich komme nicht vorbei und bleibe im Windschatten. Ich denke, ich kann die Maico in der letzten Kurve vor dem Ziel ausbremsen und den Ersten machen. Aber es treibt mich aus der Kurve raus und ich ratsche mit meiner rechten Fußraste durch die Bänder der Strohballen, reiße die Bänder auf, eine Tonne Stroh fliegt durch die Luft, ich kann die DKW abfangen und ins Ziel retten, aber nur als DRITTER. Ich lasse die DKW ausrollen und etwa 50 Meter hinter dem Ziel hat die DKW mehrere Fehlzündungen und bleibt schließlich stehen. Trotz allen Versuchen von mir und anderen Spezialisten will sie nicht mehr anspringen. Wir verladen die DKW auf einen Kombi, der mich zurück nach Garmisch zu unserem Quartier bringt. Erst zu Hause, in meiner Werkstatt kann ich feststellen, dass der Kondensator der Lichtmaschine sich ausgelötet hatte. Ja, auch ich hatte damit Glück, dass ich buchstäblich meine GOLDENE über die Ziellinie retten konnte.“

Der Motorrad-Journalist Robert Poensgen sagte dem glücklichen Helmut Clasen nach seinem Abschneiden in Garmisch eine große Motorsport-Karriere voraus. Mit seinem großartigen Erfolg hatte Clasen sich endgültig in die Spitze der deutschen Geländefahrer eingebracht. Die Schmach, sich von einem Privatfahrer auf einer alten gebrauchten Maschine deklassieren zu lassen, war ein im Grunde unhaltbarer Zustand für die deutschen Motorradhersteller, die damals mit Ihren Fahrern die Weltspitze besetzten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis diese sich Helmut Clasen sozusagen mit einem Vertrag zu eigen machen würden.


Speedy unterwegs


Die schnelle DKW RT 175 GS, war letztendlich auch für eine Goldmedaille gut. Im Bild zusehen ist die Werks-DKW von Harald Uhlig, der auf dem ersten Bild auch mit Helmut Clasen zu sehen ist . Helmut Clasen fuhr allerdings lediglich eine privat hergerichtete DKW


1962 auf Goldkurs in Garmisch, hier bei einer Durchquerung der Isar


1962 ISDT in Garmisch, Teufelsstein


Start des Schlussrennens am letzten Fahrtag der Sechtagefahrt in Garmisch 1962


Im „Wunderwald“ von Garmisch-Partenkirchen 1962. Helmut Clasen mit der Startnummer 180


Wartungsarbeiten waren nur in einem begrenzten Rahmen zulässig


Kontrollstation vor der Olympiaschanze


Im Wald

Damatischer Höllenstein-Berg am 3. Tag und seine Umfahrung am 4. Tag Helmut Clasen ergänzt im Dezember 2017 den vorliegenden Bericht zur Sixdays-Teilnahme 1962 mit folgenden eigenen Worten:

Die Bilder (auf facebook) zeigen den Höllenstein Berg mit all seiner Dramatik am 3.Tag. Da wie, üblich die Strecke am nächsten Tag in entgegengesetzter Richtung gefahren wird, hat man in der abendlichen Jury Sitzung beschlossen, am 4.Tag den Berg im Tal zu umfahren. Alle Team-Abgeordneten bekamen eine Karte auf der die Umgehung eingezeichnet war mit Angabe der zu fahrenden Kilometern und der dazu genehmigten Zeit. Es hieß, die Trails seien sehr gut zu befahren und die Zeiten bis zur nächsten Zeitkontroll-Stelle (ZK) reichlich.

Nachdem ich die Karte und die neuen Zeiten studiert hatte, kamen mir Zweifel an den gegebenen Angaben. Da an den Zeitkontrollen auch regelmäßig nachgetankt wurde, beauftragte ich meine Frau und Helferin mit unseren Benzinkannen und Werkzeugen HINTER der Zeitkontrolle zu stehen, denn ich glaubte nicht, dass die neuen Zeiten gut zu erreichen waren, sondern dass es sehr knapp werden würde und ich mich unterwegs sehr sputen müsse. Und genau so war es dann auch am 4.Tag. Der Regen sorgte für schwierige Fahrver-hältnisse im Tal und nur weil ich buchstäblich im MX-Stil (Motocross-Fahrstil) die gesamte Umrundungstrecke fuhr, kam ich mit einer Minute Gutzeit an der ZK an und konnte dann hinter der ZK in Ruhe tanken, während viele andere Fahrer vor der ZK tanken musten und dadurch an der „Uhr Zeit verloren“.

Man kann sich nicht unbedingt auf seine Team Manager verlassen und sollte stets seinen Instinkt sehr ernst nehmen und ihm im Zweifel auch folgen. „Unser damaliger GNRW Sportleiter hatte sowieso ne Macke und war sehr unzuverlaessig.“

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zu Clasens Album von der 6-Tagefahrt 1962 in Garmisch oder auch auf facebook mit diversen Kommentaren

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Swisttal, im Mai 2012

Text: Hans Peter Schneider Fotos: Archiv Helmut Clasen

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