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Grundbesitzverhältnisse und Erbsitten im Vorgebirge

Bis zur großen Landreform im Rheinland durch Napoleon zum Ende des 18. Jahrhunderts waren ca. 70 % des Gundeigentumsflächen in geistlicher Hand, bzw. gehörten einem der zahllosen Klöster und Stifte, die sich insbesondere in Köln aber auch in Bonn befanden. Seit dem Mittelalter gab es sowohl fromme Stiftungen an diese Klöster und Stifte und wer vor allem in ein wohlhabendes Stift als Stiftsherr oder Stiftsdame eintreten wollte musste als eine Art von Mitgift oder Einstand Vermögen in diese klösterliche Gemeinschaft einbringen. Dieses geschah in den meisten Fällen durch Grundeigentumsübertragung an das Kloster oder das Stift.

Da es bei Kirche, Klöstern und Stiften keinerlei Erbteilungen gab, konnte sich das Grundeigentum „in geistlicher Hand“ im Laufe der Jahrhunderte bis zum Auftreten Napoleons enorm vermehren.

Etwa 15 % des Grundeigentumes gehörte dem Rheinischen Adel. Auch hier wurde das Grundeigentum nur wenig durch Erbteilung aufgesplittert.

Die verbleibenden 15 %, also der Rest des Grundeigentumes im Vorgebirge verteilt sich auf die relativ große Zahl von selbständigen Bauern.

Dies sind in so großer Zahl im Vorgebirge zu finden, da diese die Realteilung praktizierten. Realteilung heißt, dass beim Tod des Erblassers die Kinder dieses Erblassers als Erben alle zu gleichen Teilen aus dem Nachlass erben.

Im Gegensatz hierzu ist das Anerbenrecht zu sehen, bei dem immer nur einer aus der Familie – oft der erstgeborene Sohn – alles erbten und die übrigen quasi nichts. das Anerbenrecht finden wir im Münsterland sehr verbreitet, aber auch in der Bördenlandschaft westlich der Ville bzw. Zülpicher Börde, Swist- und Efttal.


Der Hasenhof oder Severinshof in Hemmerich war bis 1639 im Eigentum der adeligen Familie von Hase. Danach ging er in das Eigentum des Severinsstift in Köln über und war dann einer der großen Höfe mehr, die sich im Vorgebirge in geistlicher Hand befanden. Die zum Hof gehörende stattliche Scheue – es war die Hemmericher Zehntscheune – fiel Ende der 1970er Jahre der Spitzhacke zum Opfer (laut Dr. Horst Bursch).

Dass sich die Realteilung im Vorgebirge etablierte, hängt wiederum damit zusammen, dass man dort in der Vergangenheit den Weinbau als intensiven Obstbau bis Mitte des 19. Jh. praktizierte und danach zunehmend den intensiven Gemüsebau, der ja auch heute noch dort zu finden ist. Die vielen Klöster und Stifte in Köln und Bonn versorgten sich im Rahmen ihrer Klostergärten selbst mit Gemüse, der Anbau von genießbarem Wein gelang jedoch doch erst im nahegelegenen Vorgebirge, wo der Boden bestens und das Klima günstig war. Dort betrieben diese Klöster und Stifte in der Regel auch große Bauernhöfe wenn nicht gar Weingüter.

Diese klösterlichen Höfe nahmen sich im Dorfbild ausgesprochen groß aus gegenüber den kleinen Bauernhöfchen (Kotten) der freien selbständigen Bauern. Verantwortlich für den Betrieb der klösterlichen Höfe waren die Halfen. Dabei handelte es sich auch um Bauern, die vom Kloster den Hof sozusagen gepachtet hatten und diese Pacht an eines ihrer Kinder weitervererben durften. Die Pacht war ertragsabhängig und somit relativ human gestaltet. Sie betrug - je nachdem, was angebaut wurde - von einem Zehntel bis hin zur Hälfte des Ertrages. Daher stammt auch der Name Halfe, nämlich aus halb bzw. dem mundartlichen halef bzw. half. Der Halefe oder Halfe war also derjenige, der seinen Ertrag bis zur Hälfte an seinen Grundherren abführen musste.

Diese Halfen lebten jedoch in einer Art Symbiose mit den übrigen kleinen selbständigen Bauern im Dorf. Diese verdingten sich als Tagelöhner bei den Halfen um das zu erwerben, was der eigene Grundbesitz an Lebensgrundlage nicht hergab. Genau betrachtet spielt der ertragsträchtige Weinbau also mehr indirekt als direkt eine der mitentscheidenden Rollen, dass die Realteilungssitte sich im Vorgebirge schon vor vielen Jahrhunderten etablierte.

Nachdem Napoleon zum Beginn des 19. Jahrhunderts schließlich den geistlichen Grundbesitz durchweg säkularisierte, indem er ihn an Bauern verkaufte, die ebenfalls die Realteilung praktizierten, ist das Nebeneinander von großen einzelnen Bauernhöfen in (ehemals) geistlicher Hand und kleinen Bauernhöfen freier Bauern und Tagelöhner etwas verloren gegangen.


Hemmerich: Ein Backsteingehöft vom Ende des 19. Jahrhunderts steht neben einer Vierseitenhofanlage die noch aus vornapolionoscher Zeit stammen kann und etwa der Größe der Höfe entspricht, die sich die wohlhabenderen freien Vorgebirgsbauern im 18. Jahrhundert leisten konnten.




Rösberg: Ehemalige Tagelöhnerhäuschen. Auch wenn diese Gebäude vermutlich aus dem 19. Jahrhundert stammen und somit nach der Zeit der großen geistlichen Bauernhöfe bei denen die Tagelöhner Arbeit fanden, so sind diese Häuser von den Nachkommen der Tagelöhner auf den angestammten kleinen Grundstücksparzellen errichtet worden.


Rösberg: Der Bauernhof wurde nach der napolionischen Landreform noch vor 1850 erbaut. Ein prachtvolles Gebäude, das heute unter Denkmalschutz steht.



Text und Fotos: Hans Peter Schneider