Motor Veteranen Club Bornheim-Brenig e.V.

Rückschau 2010

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Sonntag, 5. September 2010
3. Int. Pionierfahrt im Rheinland

Die Veranstaltung war gespickt mit durchweg altersbedingt exklusiven Leckerbissen aus der frühesten Motorradgeschichte, eben Pioniermotorräder. Diese sind heute im Durchschnitt etwa 100 Jahre alt und so selten, dass sie in der Regel nur konserviert und wohlbehütet in Museen anzutreffen sind. Jürgen Hammerschlag-Mäsgen und Peter Lange gehören einem relativ kleinen eingeschworenen grenzübergreifenden Kreis von Motorrad-Oldtimerfreunden an, die sich in jedem Jahr mit einiger Regelmäßigkeit zu gemeinsamen Ausfahrten mit ihren Pioniermotorrädern treffen. In diesem Jahr traf sich dieser Kreis aus Deutschen, Niederländern und Belgiern zum dritten Mal in Lüftelberg. Unterstützt wurden sie dabei von Familienangehörigen, von einigen Freunden unseres Clubs und auch ein wenig offiziell von unserem Club.


Fahrerlager der Hundertjährigen im Garten der „Tante Lotti“

Hauptort der Veranstaltung war wieder das weitläufige Gartengelände des Landgasthofes „Tante Lotti“ in Lüftelberg. Der Wirt sorgte auch am Vorabend für das leibliche Wohl des von Weit her angereisten Gros der Teilnehmer. Die illustere Sammlung von historischen Handwerkszeug, Fahrzeugen, Mobilar und allen möglichen anderen Dingen, die zu sammeln sonst jemand sich wagt und die dennoch in den Räumlichkeiten und den Außenenlagen des Gasthofes zu finden sind, trug zum außerordentliches Flair der Veranstaltung bei uns passte auch sehr gut zu den sehr alten Motorrädern. Gesprochen wurde in Rheinisch, in Deutsch, Flämisch, Französisch, Niederländisch und in Englisch und am Ende verstand – fast wie beim Sprachenwunder zu Pfingsten - jeder jeden, weil sich die Gespräche durchweg um alte Motorräder drehten und ausschließlich nette Leute anwesend waren.

Eine gemeinsame Aufgabe sahen viele Teilnehmer darin, Horst Nordmanns Allright aus dem Jahre 1909 betriebssicher zum Laufen zu bringen. Horst Nordmann hatte dieses in Köln gebaute Motorrad liebevoll und vorbildlich einer Totalrestauration unterzogen. Aber für richtige Fahrversuche bestanden im Köln des Jahres 2010 keine geeigneten Möglichkeiten mehr. So sollte ihm die Pionierfahrt in Lüftelberg gleichzeitig als Probe- und Einstellfahrt dienen. Dennoch machte sich schon beim Probelauf im Garten der „Tante Lotti“ trotz generalüberholtem Zünder und neuen Zündkalbeln der Zündfunke still und zeitweise davon. An eine Teilnahme mit dem seltenen Motorrad war wegen solcher Betriebsunsicherheit nicht zu denken. Kurzerhand half ihm jedoch der Moto Reve-Spezialist Martin Scholl aus Minfeld mit einer zufällig mitgebrachten Moto Reve von 1911 dem schon verzweifelnden Kölner aus. Schließlich entdeckte am nachfolgenden Sonntag im Rahmen der Mittagspause Heiner Rohrwick aus Osthofen, der Organisator der bekannten „Keilriemfahrt“, als Ursache und Tücke ein defektes neues Zündkabel.


Heiner Rohrwick auf der Sauche nach dem verlorenen Zündfunken; noch ist der tatsächliche Fehler nicht gefunden

Ohnehin konnte man sich sowohl an der alten Technik mit stehenden und mit Schnüffelventilen, mit und ohne Getrieben, Nabengetrieben und simpler aber betriebssicherer Zweitakttechnik nicht nur satt sehen, sondern auch satt höhren und satt riechen. Die erschienenen Zuschauer zeigten sich durchweg fasziniert von so betagter Technik und und einige überlegten und fragten laut, ob denn ohne Kupplung und Getriebe nach jeder roten Ampel und jedem Stopp-Schild die Fuhre zunächst wieder mit Muskelkraft in Fahrt gebracht werden musste, bevor der Motor alleine für den Vortrieb sorgen konnte. „Ja“ hieß die Antwort des Moderators der Veranstaltung und den Zuschauern wurde einmal mehr bewusst, wie viel anders sich der Individualverkehr und wie mühsam sich die Mobilität vor 100 Jahren gestalteten. Aber rote Ampeln und Stop-Schilder gab es von 100 Jahre noch nicht und die Straßen waren auch noch nicht so voll wie heute.


Christ Haanen aus Weert (NL) nach dem Museumsbesuch in Kuchenheim mit seiner Bradbury aus dem Jahre 1910. Vor dem Genuss der Motorkraft ist bei Pioniermotorrädern Muskelkraft gefordert

Von einigen Fahrzeugen war ohnehin nicht viel bekannt, außer dass sie in Lüftelberg am Start waren und nach wenigen Jahren der Existens des Unternehmens vor etwa hundert Jahren man diese Fahrzeuge heute nur noch am vorhandenen Objekt studieren konnte. Schriftliche Unterlagen sind oftmals keine mehr vorhanden. Zu nennen wäre hierzu etwa die La Nef La Croix Tricycle aus dem Jahr 1902, mit dem die Belgier Rudy Leblon und seine charmate Partnerin Els Bekempen erschienen waren;
oder etwa das Clyno-Gespann des Niederländers Mark De Boer aus dem Jahre 1911 mit dem aus Weiden geflochtenen Boot;
oder etwa die Abingtdon-King-Dick aus dem Jahre 1912 des Niederländers Geert De Boer;
oder die Raglan aus dem Jahre 1913 des Niederländers Peter Pietersma. Aber auch der Lokalmatatdor Thomas Niederberghaus aus Swisttal Heimerzheim war mit einer Hobart 6 HP aus dem Jahre 1914 erschienen, die in Deutschland nahezu unbekannt war, obwohl die Marke in England von 1901 bis 1924 existierte. Wem sagen heute noch etwas die erfolgreichen französischen Marken Griffon , Terrot und Clement, oder die englischen Marken Pebok, Premier, Levis und AC? Jedes der erschienenen Motorräder war schon etwas ganz besonderes, und in jeglicher Hinsicht erlebenswert, auch wenn es sich dabei um damals so massenhaft gebaute und verkaufte Maschinen der Marken Peugeot und Triumph handelte.

Die Morgenrunde führte nach Kuchenheim ins Industriemuseum, wo der Landschaftsverband eigens für diese Veranstaltung die Dampfmaschine in Betrieb gesetzt hatte. Im Hof der ehemaligen Weberei Müller machten sich die versammelten hundertjährigen Maschinen gut. Bedingt durch das teilweise gleiche Alter der Fabrikanlage und der Motorräder kam eine Art von Harmonie auf.

Nach der Mittagspause bei „Tante Lotti“ startete die Nachmittagsrunde zur Oldtimersammlung von Willi Schaub in Waldorf. Der Vorgebirgshang mit seinen etwa 100 Metern Höhenunterschied von der Hauptterrasse bis hinunter zum Donnerbachsweg in Waldorf stellte dabei eine besondere Herausforderung für die alten Maschinen dar: Bei der Abfahrt waren die Bremsen gefordert und beim späteren Anstieg schon in Alfter der Riementrieb zum Hinterrad. Und doch erreichten die meisten Maschinen ohne Probleme am späten Nachmittag wieder das Ziel im Garten der „Tante Lotti“.


Arpad Schießl leistete mit dem Besenwagen Hilfe. Auf dem Beifahrersitz Manfred Scholl aus Minfeld, ein Moto Revé- und Husqvarna-Kenner

Den ganzen Tag über sah man frohe und staunende Gesichter und als sich am Abend die Veranstaltung auflöste waren alle froh über diesen schönen Tag und die satten Erlebnisse.


Fachsimpeln gehörte dazu

Den Hauptorganisatoren Jürgen Hammerschlag-Mäsgen und Peter Langel aber auch deren eingespannte und sowohl kompetent als auch souverän mitwirkenden Familienangehörigen gilt unser besonderer Dank, denn ohne deren Idealismus wäre dieses satte Wochenenderlebnis nicht möglich gewesen.


Mark De Boer mit Beifahrerin (Foto von Beate Kustermann Meckenheim)

Swisttal, den 06.09.2010

Hans Peter Schneider


Vor dem Start bei „Tante Lotti“


Die alten Motorräder harmonierten mit dem Bild der gleichaltrigen Fabrikanlage in Kuchenheim


Alte Motorradtechnik in harmonischer etwa gleichaltiger
Umgebung sorgte für gute Stimmung in Kuchenheim


... an die Wand gestellt


Jürgen Hammerschlag-Mäsgen im Gespräch mit Gerard De Bruyne
aus Middelkerke (B), der in zeitgemäßer Kluft mit seiner Peugeot
aus dem Jahr 1903 an der Tour teilnahm


Rudy Leblon aus Oudenburg (B) während der Mittagspause,
sein seltenes La Nef La Croick Dreirad von 1902 mit vom Stellmacher gefertigter Holzkarosserie lief problemlos. Im Hintergrund checkt Peter Langel gerade seine Clement mit dem selben Baujahr


Museumsbesuch am Nachmittag in Waldorf


Die Fachleute unter sich


Zwar verbraucht die Peugeot aus dem Jahre 1903 weniger als 3 Liter Benzin auf 100 km, aber ganz ohne kommt sie auch nicht aus. Der moderne Benzinkanister, der Startnummernzettel und die Brille sind die einzigen Attribute an die Moderne auf diesem Foto (Foto von Beate Kustermann, Meckenheim)

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Noch mehr zur Pionierfahrt gibt es unter dem Link
http://www.pionierfahrt-rheinland.de/

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