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Erinnerungen - vom Schüler zum Meister
1942 – 1965

Geschäftseröffnung 1957

15. Juni 1957 – Eröffnung ! Einzelhandel und Reparatur von Fahr- und Motorrädern

Am 15. Juni 1957 öffneten wir mit gemischten Gefühlen, jedoch nicht ohne Hoffnung zum erstenmal die Tür unseres Ladens. Von unserem Startkapital hatten wir gerade noch DM 150,00 Wechselgeld für die Ladenkasse übrigbehalten.


Rückseite: Hinter den beiden Festern war die Werkstatt
Das Linke Fenster wurde später zur Tür erweitert


ADLER MB 200 vor unserem ersten Laden – das rechte Schaufenster ist von der
Drogerie Hohenschurz. Das Gespann war das erste Firmenfahrzeug: Es diente u.a.
auch zum Transport von Zweirädern

Für Interessierte mit Buchhaltungskenntnissen ( ich hatte damals noch keine solchen) hier die Eröffnungsbilanz mit Inventarverzeichnis.





Eröffnungsbilanz mit dazugehörender Inventarliste zeigen den Wiederbeginn eines Unternehmens mit äußerst bescheidenen Voraussetzungen

Mein Vater hatte im Vorfeld schon ein bisschen Reklame bei seinen Arbeitskollegen gemacht und so kamen schon gleich am ersten Tag etliche mit ihren Fahrrädern und Mopeds an, die repariert werden mussten. Zumindest für die Anfangszeit hatten wir weniger mit Neuverkäufen von Fahrzeugen, sondern eher mit Reparaturen und Verkauf von Ersatzteilen gerechnet, weil viele ihre Räder selber reparierten. Von Anfang an stand eines fest: Mein Vater würde die Reparatur der Fahrräder übernehmen, während ich mich auch mit motorisierten Fahrzeugen befassen würde, eingegrenzt auf 50 ccm – wegen der kleinen Werkstatt sah ich keine Möglichkeit, darüber hinauszugehen.

Reparaturen an Fahrrädern bereiteten kaum Probleme, weil wir gängige Teile bereits vorrätig hatten und fehlende Ware wöchentlich von Goldberg nachgeliefert wurde. Wenn Vater nach UK-Dienstschluss im Laden eintraf, hatten sich meist schon einige Fahrradreparaturen angesammelt, die er meistens noch am gleichen Abend erledigte. In diesen Jahren war er noch richtig fit und seine schon in früheren Lehr- und Gesellenzeugnissen bescheinigte Routine war ihm noch nicht abhanden gekommen. Eine seiner Stärken war die Reparatur von Speichenrädern, über die ich immer gestaunt habe. Ein zur „Acht“ deformiertes Fahrrad-Laufrad konnte er oftmals ohne Einsatz von Ersatzteilen wieder herrichten – er bog es soweit wie möglich über dem Knie wieder zurecht, den Rest besorgte er mit dem Speichenschlüssel. Eine alte Fahrradgabel nahm dabei das Rad auf und der neben die Felge an der Gabelscheide abgestützte Daumen ersetzte die Messuhr, die heutzutage von den komfortablen Zentrierständern nicht mehr wegzudenken ist. Weil diese Prozedur bei ihm nur eine Sache von wenigen Minuten war, habe ich mich mit eigenen Aktivitäten zurückgehalten und ihm auch die Reparatur oder den Neuaufbau von Mopedrädern überlassen. Die Rechnung für solche Arbeiten habe nach Möglichkeit jedoch ich geschrieben – er selbst hätte lediglich die reine Arbeitszeit und nicht sein „know how“ berechnet. Über dreißig Jahre ist das jetzt her und es kommt immer mal wieder vor, dass mich irgendwelche Leute auf der Straße ansprechen mit dem Tenor: „ Ihren Vater habe ich noch gut gekannt und erinnere mich noch an die preiswerten Reparaturen an meinem Fahrrad – ach, wenn es so was heute noch gäbe !“

Bei meinen Mopedreparaturen war eine andere Sachlage gegeben. Durch die Vielzahl unterschiedlicher Fabrikate konnte ich auf die Schnelle lediglich Kleinreparaturen – den Ersatz von Reifen, Bowdenzügen etwa –ausführen. Alle anderen Ersatzteile mussten einzeln beschafft werden. Zu diesem Zweck hatte meine ADLER, wie geplant, einen gebrauchten Beiwagen (STEIB LS 200) angeschraubt bekommen. Nachdem ich jeweils nur um zwei Ecken zum Mittagsessen bei meiner Mutter fahren musste, ging’s anschließend dann mehrere Male pro Woche nach Köln. Hier konnte ich Teile für gängige Moped-Fabrikate und –Typen bei größeren Einzelhändlern bzw. Großhändlern kaufen, wo ich Rabatt erhielt. War ich nicht pünktlich um 15 Uhr zurück, öffnete meine Mutter manchmal schon den Laden und vertröstete die Kunden, so gut sie konnte.

Da der Ortsteil Wesseling-Süd etwas vom Zentrum entfernt war, schien uns der Standort unseres Geschäfts nicht optimal zu sein. In der roten Siedlung jedoch waren wir hervorragend platziert. Schon seit einigen Jahren waren fast alle Geschäfte des täglichen Bedarfs in dem Teil der Ahrstraße, der etwas zurück lag, zusammengefasst. So kamen fast alle Bewohner dieses Ortsteils bei ihren Einkäufen auch an unserem Laden vorbei, wodurch wir uns sogar eine spezielle Werbeankündigung der Geschäftseröffnung sparen konnten. Folgende Geschäfte waren 1957 in unserer Geschäftszeile vertreten: Lebensmittel Koch und Wörner, Metzgereien Kleesattel und May, Schreibwaren Nebel, Bäckerei Pütz, Friseur Freundel, Fotodrogerie Hohenschurz, Zahnarzt Czaja, Textil Schröder, Schumacher Reimer sowie das Hotel Adler unter dem Pächter Vosen, welches in erster Linie damals eine gut laufende Gaststätte war.

Die erste größere Reparatur führte ich an einem Moped mit Eingang-ILO Motor aus. Für eine komplette Motorüberholung und einige Nebenarbeiten habe ich 6 Stunden zu je DM 3,00, insgesamt also DM 18,00 berechnet. Die damalige Konkurrenz verlangte DM 5,00 pro Stunde. Mit diesem „Kampfpreis“ – heute würde man „Dumpingpreis“ sagen – glaubte ich zunächst auskommen und dadurch Kunden anlocken zu können. Trotzdem hatte ich ein schlechtes Gefühl, denn in Wirklichkeit war dieser unterkalkulierte Stundenlohn ja nicht gerade fair gegenüber den Mitbewerbern. Schon bald habe ich mich angepasst, hauptsächlich jedoch, weil die Kunden auf die Qualität der Arbeit schauten und nicht auf Sonderpreisen bestanden. Hatte ich also im Anfang noch die Kollegen mit meinem niedrigen Stundenlohn ärgern können, taten diese es umgekehrt bei den Fahrrädern, wo ich mit den paar beim Großhandel georderten Rädern preislich nicht mithalten konnte. Trotz eines starken Preiswettbewerbs, der so alt wie der Handel selbst ist, wurde im Vergleich zu heute noch ein gewisser kaufmännischer Anstand gewahrt – eine Tugend, die heutzutage im gesamten Businessbereich fast vollständig untergegangen ist.

Um noch näher – auch der Historie wegen - auf die Mitbewerber einzugehen: Es gab zu der Zeit das kleine Fahrradgeschäft Mirgeler in Wesseling Keldenich. Darüber hinaus gab es in Wesseling Mitte noch 5 weitere Betriebe, die neben Fahrrädern auch Mopeds und Motorräder vertrieben und reparierten. Auf der Bonner Straße werkelte ein Einzelkämpfer namens Gehlen (oder so ähnlich), in der Bahnhofstraße war die Fa. Hans Feldens etabliert, jener Betrieb, dessen Übernahme nicht zustande gekommen war. Auf der Kölner Straße befand sich die Fa. Wilhelm Koch. Dieser Betrieb hatte das umfangreichste Angebot und unterhielt auch noch eine Tankstelle. Naturgemäss sah ich in diesem Betrieb meinen größten Konkurrenten. In der Nordstraße betrieb Fritz MERTIN ebenfalls ein Geschäft mit Fahrrädern und Mopeds, das aber bald in die Kölner Straße verlegt wurde, wo die beiden Söhne Erhard und Hubert Mertin eine FIAT Vertretung in Gang brachten und die Zweiräder langsam sterben ließen. Restbestände an Fahrrädern und Ersatzteilen haben wir damals dort aufgekauft. Schließlich gab es noch die Fa. Bauer in der Römerstraße, die ihre VW-Vertretung ausbaute und wenige Jahre später ebenfalls das Zweiradgeschäft aufgab. Anfang der fünfziger Jahre hatten drei der genannten Betriebe Unmengen von Mopeds in den Verkehr gebracht, MIELE/SACHS hieß der Favorit bei Mertin, DKW Hummel bei Feldens. Mit dem NSU Quickly ( Werbeslogan: „Nicht mehr laufen, Quickly kaufen“ ) hatte die Firma Koch den absoluten Renner im Programm – es war das mit einer Tagesproduktion von 1000 Stück meistproduzierte und verkaufte Moped in Deutschland. Wenn auch der Verkauf bereits Mitte der Fünfziger stark eingebrochen war und zum Zeitpunkt unserer Eröffnung bereits rückläufig war, rechneten wir uns zumindest ein starkes Reparaturgeschäft aus.

In der ersten Zeit bestätigte sich unsere Vermutung – tatsächlich hatten wir überwiegend mit Reparaturen zu tun, Verkäufe von Fahrrädern oder Mopeds blieben die Ausnahme. Es ging ja auch schon langsam auf Herbst und Winter zu. Während wir bei den georderten Mopeds mit der Bezahlung durch die Prolongationswechsel (im Gegensatz zum normalen Wechsel kann der Prolongationswechsel nach Ablauf noch ein- oder zweimal verlängert –prolongiert- werden) etwas Luft hatten, mussten die Fahrradrechnungen von VICTORIA nach Ablauf des Zahlungsziels (damals 4 Wochen) bezahlt werden. Hierbei wurde es gegen Jahresende etwas eng und nur weil ein gewisser Herr St. für seinen Sohn schon lange vor Weihnachten ein teures Rad bestellte und bezahlte, konnten wir einer Mahnung seitens VICTORIA entgehen. Trotzdem bahnte sich dann doch noch zaghaft ein kleines Weihnachtsgeschäft an – sozusagen ein Silberstreif am Horizont. Dieses Saisongeschäft mit Fahrrädern und Kinderfahrzeugen entwickelte sich in den Folgejahren sehr erfreulich. Als ich 1960 das Motorrad gegen einen gebrauchten Opel Kombi tauschte, konnte ich die bestellten Weihnachtsgeschenke auch ausliefern. In der Woche vor Weihnachten und selbst noch bis zum späten Nachmittag des heiligen Abends – meinem Geburtstag - hatte ich alle Hände voll zu tun mit dem Ausliefern von Fahrrädern.

Aus den Privatleben und vom Fahren mit Motorrädern

Bereits erwähnt hatte ich, dass ich an meine ADLER einen Seitenwagen ( Offizielle Bezeichnung „Beiwagen“ ) angebaut hatte. Darin konnte ich aber nicht nur , wie hauptsächlich beabsichtigt, Material transportieren, sondern auch Personen mit durchschnittlicher Größe und Gewicht mitnehmen. Somit konnte ich jetzt einschließlich mir selbst insgesamt drei Personen befördern, was ganz neue Aspekte eröffnete, denn diese Personen waren auch hin und wieder weiblichen Geschlechts, mit denen ich beispielsweise zum Tanzbrunnen nach Köln fuhr.


Adler-Gespann im Schnee. Das Motorrad war hier in erster Linie noch Transportmittel. Hans Perscheid hatte es optimiert mit einem Beiwagen von Steib, einer Windschutzscheibe von IDEAL und die Griffigkeit der Reifen wurde mit einem GILSTER-Hobel erhöht. Nur die ernsthaften Motorradfahrer trugen damals überhaupt einen Motorrad-Helm und einen Motorrad-Mantel von Klepper.

In dieser „Vorauto-Zeit“, die insgesamt drei Jahre dauerte, wurden eine Vielzahl von privaten Fahrten unternommen. Beispielsweise fuhr ich mit meinen Eltern zu Verwandten nach Düren. Einmal habe ich unseren guten Pastor Benz, der damals noch kein Auto besaß, nach Loope an der Agger zu einem Zeltlager seiner Messdiener gebracht. Bei angekündigten sonntäglichen Ausflügen zum Nürburgring brauchte ich um Mitfahrer nicht zu werben. Hier waren Freunde mit Mut gefragt, denn vom „Schmiermaxen“ wurde erwartet, dass er beim Befahren der Nürburgring-Nordschleife ordentlich „turnte“. Darunter versteht man, dass der Fahrer sich in Rechtskurven zwecks Gewichtsverlagerung weit nach rechts außen „rauslehnt“ und sich in Linkskurven auf den Soziussitz begibt, was mit Laienaugen betrachtet ziemlich abenteuerlich aussieht. Später wurde ich einmal nach einer solchen Aktion beim Verlassen der Autobahn von der Besatzung eines Streifenwagens angehalten, die mich zur Zahlung eines „Knöllchens“ verdonnern wollte. Ich wollte jedoch nicht und bestand auf einer Anzeige mit der genauen Angabe des Paragraphen, in dem dieses „Vergehen“ beschrieben sei. Eine Anzeige habe ich nie erhalten. Hin und wieder hatte ich allerdings auch Lust darauf, mein Motorrad solo über den Ring zu bewegen, schließlich hatte ich ein für damalige Verhältnisse doch recht modernes und schnelles Motorrad mit sportlichem Charakter und nicht nur ein einfaches „ Bauernmotorrad“. Dazu war der Seitenwagen mit seinen drei Schnellanschlüssen zwar schnell entfernt, die unbedingt notwendige Änderung der Übersetzung durch Austausch des vorderen Ritzels gegen ein größeres jedoch schon eine kleine Aktion. Damals hatte ich den Ehrgeiz, möglichst schnell besagte Nordschleife im Wettbewerb mit anderen Fahrern (z.B. Heinz Z. mit seiner 250 er JAWA) zu umrunden . Ich war in der Lage, die erste Hälfte des Rings mit seinen vielen abschüssigen Streckenteilen und Kurven teilweise schneller als weitaus größere Maschinen zu bewältigen, verlor diesen Vorsprung auf der ansteigenden zweiten Hälfte jedoch schnell wieder und glaubte fast zu stehen, wenn eine 500 er BMW beispielweise wieder vorbeizog. Meine schnellste Zeit war mal 14 Minuten für die Nordschleife mit dem Ergebnis, dass beide Auspuffkrümmer vom Aufsetzen in der Kurve halb durchgeschliffen waren.

Meine Begeisterung fürs Motorradfahren und die etlicher Freunde und Bekannten konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass ganz allgemein gesehen das Interesse an Motorrädern stark nachließ und sich schon eher ins Gegenteil umkehrte. Nicht nur, dass die Vorzüge zunehmend erschwinglicher werdender Vierrad-Fahrzeuge gepriesen wurden; es gab auch eine immer schlechter werdende Presse für die Belange der Motorradfahrer, die es den wenigen Fachzeitschriften (unsere Bibel war „Das Motorrad“ ) das Gegensteuern immer schwerer machte. Dieser Trend hat mich allerdings wenig berührt und ich gehörte nach wie vor zu den „Verrückten“, die sonntags nach Adenau düsten und anschließend Zehnerkarten auf dem „Ring“ verbrieten. Da ich ganzjährig fahren musste, spielte natürlich auch die Bekleidung eine große Rolle. Auf die im Sommer sicherlich praktischen Lederjacken und –Hosen verzichtete ich zugunsten regenfester Kleidung – regenfeste Überzüge zum Schutz der Lederkleidung gab es noch nicht. Die vom Chefredakteur C. Hertweck propagierte Alternative waren der Marquard oder der KLEPPER Mantel. Ich entschied mich für letzteren, wozu ich zur Kölner Vertretung von KLEPPER (bekannt geworden u.a. durch die KLEPPER Faltbote) fuhr, wo man Maß nahm und nach vier Wochen einen genau passenden Mantel lieferte – um die 200 Mark muss er gekostet haben. Er war aus grauem beschichtetem Gewebe gefertigt, dass auch bei kaltem Wetter flexibel blieb. Der Kragen konnte hochgestellt werden und war dann so dicht, dass auf den beliebten „gelben Schal“ verzichtet werden konnte. (Der gelbe Schal war ein vom Bund der Motorradfahrer und der Zeitschrift Das MOTORRAD propagiertes Erkennungszeichen für Motorradfahrer, welches das Zusammengehörigkeitsgefühl der Motorradfahrer stärken sollte und im Falle von Pannen oder dergl. weithin sichtbar an den Lenker gebunden für Freundschaftshilfe sorgen sollte.) Der Mantel war sehr lang und die unteren Enden konnten wie eine Hose um die Beine gezogen und mit Druckknopf gehalten werden. Dieses patente Schätzchen ziehe ich noch heute bei Oldtimer-Rallyes an, bei denen Petrus nicht um Mithilfe gebeten wurde. Die unbedingt erforderlichen Regenhosen damaliger Prägung fanden jedoch nicht mein Wohlgefallen, auch wenn ein Latz am unteren Ende die Schuhe etwas abdeckte, was jedoch nicht so richtig funktionierte. Aber auch hier gab es eine herausragende Konstruktion, die Gisenia Hose. Die Hosenbeine mündeten bei dieser Hose in anvulkanisierte Gummistiefel und man hätte damit Bäche durchwaten können. Das beste an dieser Kombination „Klepper Mantel mit Gisenia Hose“ war jedoch, dass man sie über den Sonntagsanzug (über den Stellenwert von Anzügen hatte ich bereits einmal berichtet) anziehen konnte. Dies hat es mir ermöglicht, jahrelang ein Theater-Abo in Bonn wahrnehmen zu können, zu dem die anderen Teilnehmer mit dem Bus zu einer Zeit losfuhren, wo ich noch im Laden stehen musste. Wenn ich frisch umgezogen gegen 19.30 Uhr startete, konnte ich noch pünktlich beim Theater ankommen, wo ich das Gespann auf den Bürgersteig stellte, Mantel und Hose im Seitenwagen verstaute und selbst bei Sauwetter das Foyer wie aus dem Ei gepellt betreten konnte. Zusätzlichen Schutz gab es im kalten Winter noch durch die IDEAL Windschutzscheibe und durch seitlich angeschraubte sogenannte „Ofenbleche“, die allerdings jedem sportlichen Anflug Hohn sprachen und im Frühjahr baldmöglichst wieder weichen mussten.

Damals wie heute hing die Fahr- und Rutschsicherheit – besonders auf dem noch weit verbreiteten Blaubasalt-Pflaster – hauptsächlich von den Reifen ab. Man machte sich schon Gedanken über gröbere oder feinere Reifenprofile – von rutschfesteren Gummimischungen ist mir nichts in Erinnerung geblieben und der berühmte METZELER Block C, der sogar auf der Rennstrecke gefahren wurde, kam nach meiner Zeit. Wenn wir trotzdem nicht schon bei gering überzogener Kurvenlage rausflogen, lag das an der nachträglichen Reifenbearbeitung – GILSTER-Hobel war das Zauberwort. Diese Vorrichtung war mit Rasierklingen bestückt, mit der man feine Rillen in das Reifenprofil schnitt. Die Wirkung beruhte darauf, dass die entstandenen Lamellen bei seitlichem Druck auseinander gingen und zusätzlichen Platz zum Wasserablauf schafften, wobei die scharfen Kanten noch zusätzlichen Halt gaben. (Ich hoffe, dass diese Beschreibung einigermaßen zutreffend ist.) Kürzlich habe ich gelesen, dass der Chefredakteur einer Oldtimer-Zeitschrift noch heute dieses Werkzeug einsetzt.


Mit dem Gilster-Hobel wurden die Reifen
lamelliert, was den Gripp auf nassem
und glattem Untergrund erhöhte.
Moderne Winterreifen für Autos sind
heute ebenfalls stark lamelliert

Da die Begeisterung für Motorräder – mal abgesehen von meiner eigenen und der etlicher Freunde und Bekannten – stark nachgelassen hatte und auch die räumlichen Verhältnisse es nicht anders zuließen, reparierte ich fast ausschließlich Mopeds, von denen die meisten mit einem SACHS-Motor ausgerüstet waren. Diesen Motor hatte ich gründlich in meiner Volontärzeit kennen gelernt. Aber auch andere mehr oder weniger bekannte Fabrikate bereiteten mir keine großen Probleme. Die erste echte Herausforderung musste ich bestehen, als mein ehemaliger Klassenlehrer und Schulrektor Lohrscheid seine IMME wegen eines Defekts an der Kupplung brachte, wozu der Motor zerlegt werden musste. Die Firma RIEDEL in Immenstadt hatte nach nur zweijähriger Produktionszeit der Imme bereits 1951 schon wieder die Tore schließen müssen. Die bahnbrechende Konstruktion war nicht genügend erprobt und mit Kinderkrankheiten behaftet in den Verkauf gekommen. Hohe Garantieleistungen hatten die Firma in den Ruin getrieben. Glücklicherweise hatte die Firma ZGM einige Jahre lang die Ersatzteilfertigung weitergeführt und so konnte ich die benötigten Teile noch bekommen. Rektor Lohrscheid besaß auch eine Reparaturanleitung, die er mir überließ und mit deren Hilfe ich glaubte, die Arbeit bewältigen zu können.. Wohlweislich hatte er mir nichts darüber erzählt, dass er von anderen Werkstätten schon abgewiesen worden war, denn dieser Motor war wegen seines komplizierten Aufbaus der Albtraum für jeden informierten Mechaniker, was ich jedoch nicht wusste. Der Motor hatte kein einziges normales Kugellager, sondern alle Wellen waren auf losen Nadeln, Rollen und Kugeln gelagert, die alle einzeln mit Fett angeklebt werden mussten. Beim Zusammensetzen der einzelnen Komponenten darf es natürlich keineswegs passieren, dass einer der Lagerkörper abrutscht und ins Motorinnere fällt, was man nicht sehen sondern höchstens ahnen kann. Nach mehrmaligen schweißtreibenden Versuchen ist es mir dann doch gelungen, den Motor wieder zusammenzusetzen, was sich rein auf die Mechanik bezog. Das richtige Verständnis für die konstruktiven Zusammenhänge ist mir jedoch erst vierzig Jahre später aufgegangen, als ich eine zerlegte Imme erworben und restauriert habe , was ohne jeden Zeitdruck ablaufen konnte. Zu jener Zeit begann mir dieselbe nämlich schon wegzulaufen, weswegen ich immer versucht habe, alle Arbeiten ohne Abstriche an der Qualität schnellstmöglich abzuwickeln. Dieses Talent hatte sich schon bei der Facharbeiterprüfung gezeigt – ich muss es wohl von meinem Vater übernommen haben, bei dem es ebenfalls sehr ausgeprägt war. Vater war noch nicht ganz 14 Jahre alt gewesen, als er seine Lehre als Fahrradmechaniker in der Firma Ferdinand Schlegel Wwe. in Düren angetreten und sehr erfolgreich abgeschlossen hatte. Für ein weiteres Jahr hat er dort als Geselle gearbeitet und wurde danach zum Leiter der Fahrradwerkstatt befördert. Im gleichen Betrieb hat auch Vaters jüngerer Bruder Max eine Lehre als Motorradmechaniker absolviert. Seine Zeugnisse und der Gesellenbrief sind noch im Original erhalten. ...

Vaters Motorradvergangenheit

1924 besaß mein Vater – 25 Jahre vor mir – ebenfalls ein 200 ccm Motorrad, eine IMPERIA mit englischem Villiers-Motor, der mit 5,5 PS genau halb so stark wie der meiner ADLER war, woran man den Fortschritt der Technik ablesen kann. Motorräder bis 200 ccm waren im dritten Reich steuer- und führerscheinfrei gewesen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Diese Vorteile entfielen nach dem Kriege und kein Mensch kann sagen, wieso eigentlich bis zum Ende des Motorradbooms gegen Ende der fünfziger Jahre immer noch 200 er Maschinen beliebt waren, obwohl der bis 1954 ausreichende Führerschein 4 das Fahren von 250 er Maschinen erlaubt hätte.

Ihre dreitägige Hochzeitsreise von Düren nach Bonn unternahmen meine Eltern mit diesem Motorrad, nachdem das Vertrauen meiner Mutter in Vaters Fahrkünste wieder hergestellt war. Zu unser aller Begeisterung wurde von unseren Eltern immer mal wieder geschildert, auf welche Art und Weise besagtes Vertrauen abhanden gekommen war: Mutter hatte einmal zwecks gemeinsamer Ausfahrt den Soziussitz der IMPERIA bestiegen und war beim Anfahren vom Sitz gerutscht, was Vater zunächst nicht bemerkt hatte und alleine losgefahren war. An der Beschleunigung dieses 5,5 PS schwachen Gefährts kann es wohl nicht gelegen haben. Vielmehr vermute ich, dass Vater die Kupplung zu plötzlich kommen ließ, wodurch die IMPERIA einen Satz gemacht haben mag. Er hatte bei seinen späteren Fahrzeugen, dem in Düren ausgegrabenen Motorfahrrad und der von mir übernommenen QUICK immer eine panische Angst, die Kupplung schleifen zu lassen – die könnte ja vorzeitig verschleißen oder gar verbrennen ! Nach seiner Vorstellung hatte man nach dem Ziehen der Kupplung und dem Einlegen des Ganges das Fahrzeug zuerst einmal mit den Pedalen in Schwung zu bringen und dann erst einzukuppeln. Solcherart unterwiesen durfte ich als 14-Jähriger mal auf einem Feldweg sein damaliges Motorfahrrad ein Stück bewegen. In Gedanken hatte ich den Einkuppelvorgang schon hunderte Male durchgespielt und glaubte, dies nun ohne Zuhilfenahme der Pedale viel besser zu können ! Weit gefehlt, wie sich herausstellte – auch ich musste es wie jeder andere Anfänger erst lernen.

Zurück zum Geschäft

Während Vater jeden Abend seine Fahrrad-Fachkenntnisse anwenden konnte, kam sowohl die Reparatur als auch der Verkauf von Mopeds langsam in Fahrt. Mit unserem eher zweitrangigem Fabrikat VICTORIA hatten wir uns eine etwas anfällige Marke eingefangen, mit der wir zwar gut ins Geschäft gekommen waren, die uns aber auch viele Garantieleistungen bescherte. Während wir an diese Marke jedoch mehr oder weniger nur durch Klimmzüge gekommen waren, wurde uns das Fabrikat HERCULES einige Zeit später durch den Vertreter Herrn Pilger schmackhaft gemacht. Sowohl die Fahrräder als auch die Mopeds mit SACHS-Motor ließen sich recht gut verkaufen und bereiteten anfänglich auch weniger Probleme, als wir sie von VICTORIA gewohnt waren. Inzwischen zeichnete sich aber eine neue Entwicklung ab: Bereits bei meinem IFMA Besuch 1956 mit Heinz Z. war uns eine Neuentwicklung aus dem Hause KREIDLER, nämlich das Kleinkraftrad Florett, aufgefallen. Mit 50 ccm Hubraum versprach dieses Fahrzeug eine Höchstgeschwindigkeit von 65 km/h, während die hubraumgleichen Mopeds nur 40 km/h brachten. Es handelte sich um eine unkonventionelle Konstruktion ohne direkte Vorbilder, die mit den damaligen Mopeds lediglich den Hubraum gemeinsam hatte, ansonsten aber motorradmäßig dimensionierte Bauteile aufwies.


Kreidler Florett von 1959

Allerdings mussten diese neuen Kleinkrafträder zugelassen werden (Mopeds benötigten lediglich ein Versicherungskennzeichen.) Außerdem war der mittlerweile von 250 auf 50 ccm heruntergeschraubte Führerschein 4 erforderlich, der bereits ab 16 Jahren erworben werden konnte. Das war für viele Jugendliche ein gefundenes Fressen und das FLORETT wurde innerhalb kürzester Zeit der Renner in der Szene. Leider konnten wir zunächst von dieser Erscheinung überhaupt nicht profitieren – die KREIDLER Vertretung war bereits an die Firma Koch vergeben. Gerechterweise muss man heute sagen, dass diese Firma jetzt die Früchte ernten konnte für ihren Einsatz für das Fabrikat Kreidler, deren Vormodelle K 50 und Junior überhaupt nicht gelaufen waren. So konnte ich am Anfang mit den KREIDLER Fahrern nur auf dem Umweg über die Werkstatt ins Geschäft kommen. Man kann es heute kaum noch nachvollziehen, wie diese Fahrzeuge von den damaligen Jugendlichen beansprucht wurden und welche Kilometerleistungen sich dabei ergaben – die Jungs müssen Tag und Nacht auf ihren Floretts gehockt haben ! Dementsprechend war auch der Verschleiß. Die Garantiezeit betrug generell 6 Monate bei allen Fabrikaten (auch bei Autos übrigens.) Danach mussten alle Defekte vom Kunden bezahlt werden, der sich dann u.U. eine andere Werkstatt als die seines Lieferhändlers suchte. Schnell hatte es sich herumgesprochen, dass bestimmte spezifische FLORETT Defekte bei uns besonders preiswert repariert wurden. Beispielsweise wurde das besonders großem Verschleiß unterworfene Getriebe-Schaltrad nicht komplett erneuert, was teuer geworden wäre, sondern es wurden lediglich die 4 Zylinderstifte ausgewechselt. Mangels einer hydraulischen Presse hatte Vater im Werk UK einen Stahlklotz als Unterlage aufgegabelt und mit 4 Bohrungen versehen, damit man die Stifte herausschlagen konnte, was allerdings mühsam war, weil sehr viele Schläge erforderlich waren. Arbeitszeit spielte aber noch nicht die ganz große Rolle damals und die preiswertere Aufarbeitung von Teilen wie dem Schaltrad etwa oder später auch Kurbelwellen führte uns viele Kunden zu. Kurbelwellen waren leistungsbedingt ebenfalls einem starken Verschleiß unterworfen, da die unteren Pleuellager noch aus losen Rollen bestanden und die praktisch unverschleißbaren Nadelkäfige noch nicht eingeführt waren. Von der damaligen Händlerschaft wurden dann überwiegend komplette Kurbelwellen erneuert. Durch Selbstbau einer Presse unter Verwendung eines mechanischen Wagenhebers war ich in der Lage, nur das verschlissene Pleuel auszuwechseln, um auch hier preiswerter als die Mitbewerber zu sein. Dem KREIDLER Vertreter war nicht verborgen geblieben, dass wir beim KREIDLER Stützpunkt Hofacker in Opladen erhebliche Mengen an Ersatzteilen bestellten – vielleicht mehr sogar als der ortsansässige Vertragshändler. Wie dem auch sei – eines Tages stand der Vertreter Herr Welz bei uns im Laden und bot eine Geschäftsverbindung mit dem Hause KREIDLER an. Sicherlich hatte er dabei mit gewissem Weitblick die spätere Entwicklung im Auge, denn die seinerzeitige Nachfrage konnte kaum befriedigt werden und zog lange Lieferzeiten nach sich. So wurden wir im Anfang nur ganz spärlich mit FLORETT Kleinkrafträdern beliefert. Bereits vereinnahmte Anzahlungen auf Floretts mussten wir wieder zurückzahlen, weil die Lieferung sich zu lange hinzog. Selbst der Besuch meines Vaters im Werk in Kornwestheim, wozu er sich Urlaub genommen hatte und mit der Bahn hingefahren war, brachte ein äußerst mageres Ergebnis ein: Mit drei zusätzlichen Maschinen, und die noch verteilt auf drei Monate, mussten wir uns zufrieden geben. Kein Wunder dass ich ständig auf der Suche nach Alternativen war, die sich nur nach und nach boten. Von der KREIDLER Furore aufgeweckt, hatten nunmehr auch andere Hersteller Kleinkrafträder aufgelegt. Hier handelte es sich allerdings überwiegend um aufgemotzte Mopeds, deren leistungsgesteigerte Motoren nicht die Haltbarkeit und Standfestigkeit der KREIDLER Konstruktion aufweisen konnten. So mussten diejenigen Kunden, die nicht ewig auf ein Florett warten wollten, mit einer Victoria Avanti oder einer HERCULES 220 K vorlieb nehmen, die ich zuvor wie Sauerbier angeboten hatte. Mit der Avanti hatte ich zwar ein optisch sehr ansprechendes Sportmoped im Angebot – „Rennerle“ nannte man diese Dinger – wobei das äußere Finish leider über technische Unzulänglichkeiten „en masse“ hinwegtäuschte. Die Fahrgestellkomponenten kamen überwiegend aus Italien und waren von der schlechteren Sorte. Dabei waren die Italiener schon damals in der Lage, auch hochwertige Qualität zu fertigen, wie das Beispiel vieler dort gefertigter Fahrzeuge bewies. Unter Preisdruck ließen sie sich – offenbar eher als deutsche Produzenten - auf minderwertige Qualität ein. In einem neueren Jahrbuch über Fahrzeuge aus den Fünfzigern wird die ganze damalig Misere von VICTORIA geschildert. Demzufolge gab es Gabelbrüche (mit 2 Todesfolgen) Brüche von Hinterradschwingen, Risse an Rahmen und Tanks zuhauf, von denen ich bzw. meine Kunden Gott sei Dank verschont blieben. Dafür hatte ich mit Getriebeproblemen zu kämpfen. Die aus dem Moped abgeleitete Kleinkraftradversion, um die es hier geht, hatte Kickstarter und ein Dreigang-Ziehkeilgetriebe. Mit einem 12 er Vergaser und erhöhter Verdichtung betrug die Leistung mal gerade 2,5 PS, wenn überhaupt. Damit war gegenüber einem FLORETT kein Blumentopf zu gewinnen, eine Erfahrung, die mir meine Avanti Kunden um die Ohren schlugen. Was blieb mir übrig, als hier gelegentlich etwas nachzuhelfen, wozu ich ja die beliebten „16 er Dellortos“ im Regal liegen hatte. Das vorhin erwähnte Dreiganggetriebe war die unglückliche Aufrüstung eines Motors, der zuvor nur zwei Gänge besessen hatte. Im unveränderten Motorgehäuse mussten die drei Zahnradpaare mit dem gleichen Platz auskommen wie vorher deren zwei und fielen entsprechend schmäler aus. Während diese auch von vielen anderen Herstellern angewandten Getriebebauweise bereits mit serienmäßiger Leistung überfordert war, galt dies erst recht für „hochgekitzelte“ Maschinen. Zahnradsalat war bei der Avanti an der Tagesordnung, wobei noch nicht einmal die benötigten Teile, sondern viel mehr der Arbeitsaufwand für die vollständige Zerlegung des Motors zu Buche schlug. Zum Glück hat diese Ära nicht mehr allzu lange gedauert. Mein „Einstiegsfabrikat“ VICTORIA ging in einem Zusammenschluss der Firmen VICTORIA, DKW und EXPRESS auf, die nach einer weiteren Fusion mit HERCULES baugleiche Modelle unter den verschiedenen Markenbezeichnungen anboten. Die später in diesem Bericht erwähnte VICTORIA 159 TS basierte auf dem soliden DKW Motor, der aus Preisgründen dann eines Tages auch noch dem primitiveren SACHS Motor weichen musste.


Zeitgenössische Reklame für die Victoria Avanti

Unsere stets ausgelastete Werkstatt enthob uns der Notwendigkeit, aufwändige Werbung zu betreiben – das besorgte die Mundpropaganda. An eine der wenigen durchgeführten Aktionen kann ich mich aber noch erinnern. Grund war das Angebot eines billigen Mopeds im Neckermann Katalog gewesen. Nachdem die Versandhäuser zuvor schon in den Markt mit servicebedürftigen Artikeln (Fahrräder, Waschmaschinen, Rundfunk- und Fernsehgeräte) eingestiegen waren, fühlten wir uns plötzlich auch betroffen und überlegten Maßnahmen zur Gegenwehr. Wir konnten damals noch nicht ahnen, welche Bedeutung dieser fachhandelsfremde Vertrieb über Versandhäuser und Discounter einmal erlangen, und die Existenz der Einzelhändler – speziell auch im Fahrradbereich - massiv gefährden würde. Ein ganz aktuelles Beispiel erlebte ich kürzlich bei einem Stadtbummel durch Bonn. Das mitten im Zentrum gelegene renommierte Fahrradgeschäft Strohmann war verschwunden, vor einigen Wochen hatte ich mir dort noch die Schaufensterauslagen angeschaut.

Diese Bemerkung habe ich übrigens nachträglich eingeschoben. Das schöne Word Programm von Windows erlaubt ja solche Spielchen und ich muss aufpassen, dass solcherart gehäufte Einfügungen nicht noch die Fertigstellung meines Berichts gefährden !

Die am Beginn dieses Abschnitts erwähnte Werbeaktion war das Austeilen von Flugblättern, dass etliche Freunde und jugendliche Kunden unter der Anleitung von Werner Kolzem übernommen hatten. Ich warb damit für ein Billig-Moped zum Kampfpreis von DM 395,00, dass VICTORIA unter dem schönen Namen Tory aufgelegt hatte. Ausgerechnet bei diesem einzigen aufgrund der Aktion verkauften Fahrzeug brach nach kurzer Zeit die Gabel. Neben dem aus einem Vormodell stammenden Motor, zuverlässig zwar, aber nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit, besaß das Moped eine ungefederte Gabel a la Fahrrad. Der aus Temperguss gefertigte Gabelkopf erschien mir nach Betrachten der Bruchstelle wenig vertrauenerweckend und ich fürchtete, der Fehler könne nach dem Einbau einer Ersatzgabel noch mal auftreten. Wie schon so oft zuvor konnte auch jetzt wieder mal die UK helfen. Vaters Kollegen fertigten einen neuen Gabelkopf aus Vollmaterial an – sozusagen „aus dem Vollen geschnitzt“. Ich lötete die beiden Gabelscheiden und das Schaftrohr in den neuen Kopf hart ein, und mein Kunde hatte fortan Ruhe. Dieser Fall war im übrigen nicht der einzige, bei dem relativ aufwändige Instandsetzungen aus reiner Kulanz und außerhalb jeder Garantieverpflichtung kostenlos ausgeführt wurden. Ich erinnere: Nicht mehr als 6 magere Monate Garantie gab es noch lange Jahre nach diesem Vorfall.

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Text: Hans Perscheid
Fotos: Archiv Hans Perscheid

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