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Erinnerungen - vom Schüler zum Meister
1942 – 1965

Voluntärzeit

Volontärzeit bei der ADLER Vertretung Rövenich in Köln-Mühlheim

Da mein Lehrvertrag über dreieinhalb Jahre abgeschlossen worden war, bekam ich bis zum Ablauf desselben im Herbst 1956 Facharbeiterlohn bezahlt und musste mich danach um eine neue Stelle bemühen, denn Lehrlinge wurden von der Reederei grundsätzlich nicht in feste Arbeitsverhältnisse übernommen. Dies war allerdings auch nie mein Bestreben gewesen, weil mir ja noch eine Erweiterung meiner Kenntnisse auf dem Gebiet der motorisierten Zweiräder fehlte, wozu ich im Grunde genommen noch eine zweite Lehre in diesem Beruf hätte absolvieren müssen. Es gab aber noch eine andere Möglichkeit, nämlich durch eine sogenannte Volontärtätigkeit an diese Kenntnisse zu gelangen. Allerdings war es damals schon nicht ganz einfach, an eine solche Stelle zu kommen. Im gesamten Motorradbereich war eine starke Rezession zu verspüren, die Leute stiegen damals immer mehr von ihrem Motorrad oder Roller auf Kleinwagen wie Messerschmidt Kabinenroller, BMW-Isetta oder gleich einen VW-Käfer um. Ich fand dann doch einen Betrieb, der meinen Vorstellungen entsprach und mich annahm. Es war die Fa. Martin Rövenich in Köln-Mühlheim, ein Spezialbetrieb für Fahrräder, Mopeds und Motorräder. Ab Herbst 1956 fuhr ich also jeden Tag mit meiner Lambretta oder auch mit der Quick, wenn der Roller mal streikte, zum Clevischen Ring nach KN-Mühlheim. Als ich dort anfing, befand sich die relativ kleine Werkstatt noch in einer Nebenstraße. Es wurden Fahrräder, Mopeds verschiedener Marken sowie ADLER Motorräder und Roller repariert. Mit Meister Reetz, einem versierten Fachmann mittleren Alters, kam ich auf Anhieb gut zurecht und konnte ihm wertvolle Tipps abluchsen, denn ich hatte ja bisher nur Erfahrungen mit eigenen Fahrzeugen. Auf dem Mopedsektor wurden überwiegend Fahrzeuge mit SACHS Motor repariert, bei denen Wellenspiele usw. normalerweise mit Schieb- und Tiefenlehre ausgemessen werden. Bei Rövenich geschah dies – ebenso wie das Einstellen der Zündung an den Zweizylinder ADLER Motoren - bereits mit einer Messuhr. Ein solches Spezialwerkzeug war mit das erste, was ich für meine eigene Werkstatt dann angeschafft habe. Nach knappen Erläuterungen ließ er mich jeweils weitgehend alleine werkeln und schon gegen Jahresende führte ich gängige Arbeiten fast so gut und schnell wie ein gelernter Geselle aus. Dadurch bekam ich den Mut, Herrn Rövenich auf eine Bezahlung anzusprechen – bis dato hatte ich nämlich vereinbarungsgemäß und wie damals in solchen Fällen üblich – ohne Lohn gearbeitet. Ab sofort bekam ich dann einen etwa halben Gesellenlohn, womit der Chef insgesamt gesehen bestimmt ein gutes Geschäft gemacht hat.

Mein Interesse an Motorrädern und allem, was damit zusammenhing, war zu jener Zeit riesig, nach wie vor teilte ich es mit meinem Freund Heinz Z. Im Herbst 1956 wurde in Frankfurt die IFMA (Internationale Fahrrad- und Motorrad Ausstellung) abgehalten – da mussten wir natürlich hin. Wie bei Heinz üblich, ging die Reise mit einem geliehenen Motorrad vonstatten. Dieses „Leihmotorrad“ war ausgerechnet eine 250 er ADLER M 250, ein Modell, das mir ja schon bestens bekannt und der schnellste Untersatz war, den Heinz bis dato gefahren hatte. Im Wohngebiet vor der Messe fanden wir schnell einen Parkplatz und haben dann versucht, in der zur Verfügung stehenden Zeit einen möglichst umfassenden Überblick vom damals schon kleiner werdenden Motorradangebot zu bekommen. Nach Messeschluss – es war schon dunkel geworden – haben wir etwa eine Stunde lang unser Motorrad gesucht. Die Straßen um das Messegelände herum sahen alle ähnlich aus und keiner von uns hatte sich den Straßennamen gemerkt, wo wir es abgestellt hatten.

Mit Vollgas ging’s dann nach Hause – bis Limburg sind wir gekommen, dann heulte plötzlich der Motor auf, weil kein Kraftschluss mehr vom Getriebe zum Hinterrad bestand. Wir mussten nicht weit bis zur nächsten Autobahntankstelle schieben, wo wir das Motorrad abstellen konnten. Ein PKW Fahrer nahm uns mit nach Köln, den Rest unserer Heimfahrt besorgte die Rheinuferbahn. Wiederum mit einem geliehenen Fahrzeug, einem VW-Bus, den Heinz sich in seiner Ausbildungsfirma RADIO NORD (Spitzname RADIO MORD) geliehen hatte, kam das Fahrzeug nach Köln-Mühlheim zu Rövenich – wohin auch sonst. Ich konnte es während der Arbeitszeit (ich verdiente ja noch nichts, wie erwähnt) reparieren und musste nur das defekte Getriebezahnrad bezahlen. Zuvor hatte es noch Diskussionen mit Heinz’s Vater gegeben, Tenor: Mit geliehenen Fahrzeugen fährt man vorsichtig und erst recht kein Vollgas ! Der Schaden beruhte allerdings nicht auf unserer Fahrweise, vielmehr war das von uns benutzte Motorrad eines aus der ersten Serie mit zu schwach (weil zu schmal) konstruiertem Doppelzahnrad für den 3. und 4. Gang. Das bei der Reparatur erneuerte Zahnrad war eine inzwischen verstärkte Ausführung, die dem Besitzer wohl nie mehr Kummer bereitet haben dürfte.

Der Winter 1956/57 war sehr kalt und ich habe auf der Lambretta gefroren wie ein Schneider. Richtige Motorrad-Winteranzüge wie der spätere Thermoboy waren noch unbekannt. Als „Entgegenkommen“ für meine kalten Finger verpasste ich der Lambretta heizbare Lenkergriffe. Allerdings war die Leistung der Lichtmaschine damit überfordert, weswegen ich die Griffe mit der Batterie verband, die ich dann im Betrieb jeden Tag nachladen musste.

Als im Frühjahr 1957 ein Kunde sein Motorrad, eine ADLER MB 200 verkaufen wollte, war ich sofort Feuer und Flamme. Das Fahrzeug war relativ gut in Schuss und besonders preiswert, weil der Motor etwas klapperte und mittlerweile die Gebrauchten auch schon schwer an den Mann zu bringen waren. Da ich in der Firma die von mir reparierten Motorräder alle Probe fahren musste, was mir nicht wenig Spaß bereitete, hatte ich mittlerweile eine Vorstellung von der Leistungsfähigkeit von Motorrädern bekommen und meine gute Lambretta kam mir zunehmend lahmer vor. Mein Vater hielt zunächst überhaupt nichts von meinem Vorhaben, ihm erschien das Motorrad als viel zu schnell und gefährlich für mich. Bald jedoch konnte ich ihn mit dem Argument überzeugen, dass für das geplante Geschäft ein Transportfahrzeug vonnöten wäre und die ADLER in Verbindung mit einem Beiwagen ein solches Gefährt hergeben würde. „Aber nur mit Helm !“ war seine letzte schwache Einlassung, bevor der Kauf perfekt gemacht wurde. Ich hatte, wie die allermeisten Motorradfahrer zu dieser Zeit, immer nur eine Ledermütze getragen. Helme benutzten höchsten einige Fahrer schwerer BMW’s oder Zündapp’s. Noch nicht einmal in einem Motorradfachbetrieb, wie ihn die Fa. Rövenich nun wirklich darstellte, konnte man einen Helm erwerben. Stattdessen erhielt ich vom Chef einen Einkaufsschein für den Großhandel und kaufte meinen ersten Helm – einen weißen RÖMER-Helm (den sogenannten „Nachttopf“) im Autozubehör-Handel Wieland am Ring mit 20 % Rabatt.

Zunächst aber musste ich den Motor meiner Neuerwerbung auf Vordermann bringen. Das Klappern des Motors beruhte auf defekten Pleuellagern, wie Meister Reetz schon vermutet hatte. Zum Ausbau der Kurbelwelle konnte das Motorgehäuse mitsamt dem Getriebe im Rahmen verbleiben - eine solch zeitsparende Konstruktion bot kaum ein anderes Fabrikat. Da defekte Pleuel in einer normalen Motorradwerkstatt – auch nicht bei der ersten Kölner ADLER Adresse Rövenich – ausgewechselt werden konnten, wäre der Einbau einer kompletten Kurbelwelle erforderlich gewesen. Es gab aber noch eine andere Möglichkeit: Eine Handvoll darauf spezialisierter Betriebe in Deutschland konnte solche defekten Kurbelwellen zum etwa halben Neupreis instandsetzen. Einer dieser Betriebe, die Firma Sobizak, war in Köln ansässig. Ich entschied mich für den preiswerteren Weg und ließ die Welle dort reparieren. Die ganze Angelegenheit kam ja nicht unerwartet und war in dem günstigen Kaufpreis mit einkalkuliert gewesen. Nach ca. 500 zurückgelegten Kilometern mit der neuen Welle fing der Motor jedoch wieder an zu klappern und es gab lange Gesichter in der Werkstatt Rövenich und vor allem bei mir. Wiederum stellten sich ausgeleierte Pleuellager heraus. Auf einmal fiel der Verdacht jetzt auf die Fa. Sobizak – man habe immer vermutet, dass dieser Firma schon mal Ausreißer passieren würden. Garantiemäßig muss damals wohl nicht viel herauszuholen gewesen sein, da man als Kunde mangelhafte Arbeit beweisen musste, was nach Ansicht von Meister Reetz und auch Herrn Rövenich kaum möglich gewesen wäre. Die nunmehr eingebaute teure Original-Kurbelwelle riss ein tiefes Loch in unsere für die Geschäftsgründung angelegte Kasse. Die Meinung über die Fa. Sobizak erwies sich jedoch in meinem Fall als völlig unbegründet. Noch rechtzeitig vor der ersten Probefahrt mit der nunmehr schon zweiten Welle sah ich mir – mehr noch aus Zufall – den Luftfilter an. Dieser ragt in eine separate Kammer, die aufgrund ihres Volumens als Ansauggeräuschdämpfer fungiert. Er soll bei Bedarf von Schmutzpartikeln gesäubert werden, die sich in der angesaugten Verbrennungsluft befinden. Nun hatte ich bei allen vorhergehenden Inspektionen an Kundenfahrzeugen auftragsgemäß diesen Filter ausgebaut, niemals jedoch auch nur das kleinste Fitzelchen Schmutz entdeckt. So hatte ich mir diese meiner Meinung nach überflüssige Arbeit bei meiner eigenen Maschine erspart. Nunmehr aber hatte ich ihn in der Hand und sah, dass er völlig mit Schmutz zugesetzt war – ein auch für die Mitarbeiter von Rövenich ungewohntes und zunächst unerklärliches Bild. Ein ansonsten auch nicht üblich gewesener Blick in die Ansaugkammer erbrachte den Grund für die Filterverschmutzung – an den Wänden der Kammer klebte dicker Dreck, der sich teilweise abgelöst hatte. Die Ursache für das Eindringen des Drecks wurde aber auch erst im zweiten Anlauf entdeckt: Die Kammer ist am Boden durch einen kleinen aufgeschraubten Blechdeckel verschlossen. Dieses Teil muss sich irgendwie unbemerkt und bereits beim Vorbesitzer selbständig gemacht haben, wodurch Straßendreck „aus erster Hand“ eindringen konnte. Ich hatte es nicht bemerkt, weil ich zwar meine Motorräder putzte, mich dazu aber nicht unbedingt darunter legte.

Wegen des geplanten Geschäfts streckten wir nun langsam die Fühler aus. Wir wurden beim Bürgermeister der Gemeinde Wesseling vorstellig („vorstellig“ kann man heute im Zeitalter von talks, dates usw. bald nicht mehr sagen) und informierten ihn über unser Vorhaben, in Wesseling ein Zweiradfachgeschäft mit Werkstatt gründen zu wollen. Da Bürgermeister Anton Engels über entsprechende Insiderinformationen auf dem Immobiliensektor verfügte und wohl auch selbst eigene Objekte besaß, erhofften wir uns hier eine Hilfestellung. Stattdessen belehrte uns Herr Engels darüber, dass ja schon genügend andere Geschäfte am Ort seien und diese Branche sowieso keine Zukunft hätte. Wie begossene Pudel sind wir damals abgezogen. In meinem ganzen Leben habe ich es danach vermieden, irgendwelche Gemeindevertreter oder Politiker um Hilfe für meine Angelegenheiten zu bitten.

Eine Möglichkeit schien sich aufzutun, als bekannt wurde, die Firma Hans Feldens in der Bahnhofstraße möchte das Geschäft veräußern. Die Übernahme eines eingesessenen Betriebes mit entsprechend hohem Warenlager wäre für uns aber nicht finanzierbar gewesen und scheiterte an diesem Problem. Da Herr Feldens auch keinen anderen Käufer fand, hat er am Ende seinen Laden noch jahrelang selbst betreiben müssen.

Ein Ladenlokal ist in Sicht

Obwohl wir allgemein ziemliches Stillschweigen über unsere Pläne bewahrten, wussten natürlich einige – vornehmlich die Familie Z. – davon. Diese hatten als alte Wesselinger ihre Ohren überall und bald schon erfuhren wir von ihnen, dass ein Lokal ganz in unserer Nähe frei werden würde. Es handelte sich um das kleine Haushaltwaren-Geschäft von Zink, das sich zusammen mit der Fotodrogerie Hohenschurz und der Zahnarztpraxis Dr. Czaja in der Ahrstraße 37 befand. Die Warenbestände dieses Ladens waren schon weitgehend ausverkauft und wir brauchten im Wesentlichen nur eine Theke und einige Regale sowie einige zu unserem Sortiment passende Artikel wie Glühbirnen, Batterien usw. zu übernehmen. Ebenso wollten wir den von Zink betriebenen Verkauf von Propangas für Haushaltzwecke weiterführen. Den vorhandenen Telefonanschluß konnten wir nicht zu 100 % übernehmen und mussten ihn mit dem Vorgänger, der seine private Wohnung im gleichen Haus hatte, teilen. Dadurch konnte immer nur eine Partei telefonieren, die Leitung der jeweils anderen war solange tot. Das Ganze lag daran, dass die Post für Neuanschlüsse eine lange Vorlaufzeit benötigte, wir aber sofort ein Telefon benötigten. So etwas soll sich in jüngerer Zeit bei der Telekom ja noch mal wiederholt haben. Jedenfalls habe ich – als 21-jähriger – überhaupt zum erstenmal in meinem Leben telefoniert, während unsere Enkel das bereits alle mit 2 Jahren dank vorprogrammierter Schnurlostelefone konnten !

Unser Vermieter hieß Heinrich R. und wohnte in Hürth-Berrenrath. Durch Umsiedlungsaktionen des Braunkohlen-Bergbaus war er zu Geld gekommen und hatte dies, wie auch andere aus seinem Ort, hier in Wesseling Süd in unserer Geschäftszeile angelegt. Den Laden hatte er uns zu einem monatlichen Mietpreis von DM 150,00 überlassen, der lange Jahre konstant blieb. Es gab keinerlei Probleme mit ihm – er kam ja auch nur alle Jubeljahre mal vorbei. Eine einzige Situation mit ihm hatte uns allerdings mal etwas aus dem Lot gebracht. Als die uns zur Verfügung stehende Fläche nach einigen Jahren immer knapper wurde, wollten wir auf dem unbefestigten Hofgelände eine kleine, genehmigungsfreie Blechgarage aufstellen, die wir auch als Ausweich-Werkstatt nutzen wollten. Mündlich hatten wir dazu seine Zustimmung bekommen und uns die Garage bestellt. An einem Samstag-Vormittag hatten wir gerade mit dem Aushub für ein schmales Streifenfundament begonnen, als ein telefonisches Veto eintraf – aus der Traum ! Ob die Ursache eine evtl. Beschwerde aus der Nachbarschaft oder R.s Überlegungen, selbst eine Garage zu bauen, war, haben wir nie herausgekriegt. Tatsache ist, dass er kurz darauf drei eigene Garagen bauen ließ und uns zwei davon vermietete, was sich am Ende auch als die bessere Lösung herausgestellt hat.

Es kam zwar alles etwas plötzlich, aber wir waren der Meinung, es schaffen zu können. Folgende Umstände kamen uns zugute: Mein Vater hatte ja seine Arbeitsstelle bei der UK, die unsere Familie ernähren konnte und die er nicht aufgegeben wollte. Vielmehr wollte er nach Feierabend helfen, während ich den Laden ganztags betreiben sollte. Da mein Auskommen also gesichert war, würde es genügen, wenn das Geschäft – zumindest in der Anfangszeit – die Kosten einbringen würde und wir unseren Lieferantenkredit abbezahlen könnten. Dieser war ein wichtiger Bestandteil unserer Kalkulation. Bereits vor dem Kriege war mein Vater Kunde bei der Kölner Großhandelsfirma Goldberg gewesen und war dort immer noch in bester Erinnerung.. Es bedurfte keiner langen Verhandlungen, die Lieferung einer Fahrradteile-Grundausstattung auf Kredit zu erwirken, weil die Firma Vertrauen zu meinem Vater hatte. Einen Bankkredit hatten wir erst gar nicht angestrebt – wo hätten wir auch Sicherheiten her holen sollen. Ein kurz nach der Betriebseröffnung gestellter Antrag für ein Aufbaudarlehen aufgrund des in Düren entstandenen Kriegsschadens wurde von vorneherein wegen mangelnder Sicherheiten abgelehnt. Diesen Bescheid habe ich eingefügt um zu zeigen, dass man damals wie heute von Banken kein Geld zu erwarten hat, wenn man nicht schon welches besitzt !


Fehlanzeige ! Kein Geld vom Staat ohne Sicherheit ! Was lernen wir daraus ?
Wer nichts hat, kann keinen Kredit bekommen. Wer was besitzt, braucht ihn gar nicht.

Alle nötigen Formalitäten waren rechtzeitig erledigt worden. Auch die Eintragung in die Kölner Handwerksrolle hatte mein Vater schon bewirkt, weil die Dürener Eintragung natürlich hier keine Gültigkeit besaß. Dies war auch der Grund dafür, dass die Firma auf den Namen meines Vaters Wilhelm Perscheid angemeldet wurde, obwohl ich der eigentliche Betreiber war.

Neben den Ersatzteilen stellte uns der Vertreter von Goldberg, Wolfgang Boecker, auch ein paar GOLDRAD Fahrräder sowie ein GOLDRAD Moped mit SACHS-Motor in den Laden, von dem ich mir allerdings nicht viel versprach. Anfang der Fünfziger Jahre hatten eine Vielzahl von Fahrradfabriken auch Mopeds mit SACHS oder ILO Motor produziert und damit Scharen von Arbeitern und Angestellten motorisiert. Die Zeit solcher Fahrzeuge war jetzt jedoch abgelaufen und überwiegend nur noch jugendliche Interessenten mit anderen Vorstellungen waren als Käufer auszumachen. Sportliche Fahrzeuge von renommierten Marken-Herstellern waren gefragt, die in Wesseling fast alle schon vertreten waren – leider ! Wiederum waren es Z.s, genauer gesagt Vater Z., der eine Idee hatte: Er kannte den Generalvertreter von VICTORIA, Herrn Hirth, der in Köln gleichzeitig auch ein Auslieferungslager, das sich in Räumen der Spedition PeJoZi (Peter Josef Zimmer) auf dem Gereonswall befand, betrieb. Die NürnbergerTraditionsfirma stellte Fahrräder und Mopeds her und hatte in Wesseling noch nicht Fuß gefasst. Auch hier kamen wir ins Geschäft. Bei VICTORIA wurden die Mopeds mit sogenannten Prolongationswechseln angeboten. Obwohl mein Vater von Wechselgeschäften nichts wissen wollten, haben wir in der ersten Zeit diese Finanzierungsart in Anspruch nehmen müssen.

Während dieser ganzen Vorbereitungen fuhr ich noch jeden Tag zu Rövenich, denn jede Mark war nötig. Herr Rövenich höchstpersönlich gab mir noch wertvolle Ratschläge zur Geschäftseröffnung, einen zukünftigen Konkurrenten konnte er wegen der räumlichen Entfernung in mir ja auch nicht ausmachen. Er hatte schon am Anfang meiner Tätigkeit von seinem Rollenprüfstand geschwärmt, einer seiner Meinung nach unentbehrlichen Ausrüstung einer qualifizierten Werkstatt, den ich dort auch mehrfach bedient habe. Es handelte sich um einen Eigenbau, der auf der Grundlage eines Gleichstrom-Generators arbeitete. Dazu war dieser mit einer Laufrolle versehen, die vom Hinterrad des zu messenden Fahrzeugs angetrieben wurde. Durch verstellbare Widerstände wurde der Motor über die Erregerwicklung abgebremst und die Leistung aus dem Produkt von Volt x Ampere (Watt) ermittelt. Ich war Feuer und Flamme für diese Idee und erwarb noch vor der Geschäftseröffnung bei einer Ankerwicklerei in Köln-Lindenthal einen gebrauchten Generator, um ebenfalls einen solchen Prüfstand zu bauen. Das Geld hätte ich besser sparen sollen. Ich hatte überhaupt nicht darüber nachgedacht, dass es beim Betrieb eines solchen Prüfstandes in einer Wohngegend wegen der unvermeidlichen Lärm- und Abgasentwicklung Probleme geben könne. Erst viele Jahre später konnte dieses Projekt an anderer Stelle und unter anderen Voraussetzungen realisiert werden. Der gebraucht erworbene Generator landete u.a. aus Platzgründen im Schrott.

Das Ladenlokal sollte Ende Mai 1957 freiwerden. Ich beendete meine Tätigkeit in Köln und innerhalb von 14 Tagen richtete ich den winzigen Verkaufsraum und die noch winzigere, dahinter befindliche Werkstatt ein, was keine große Sache war.

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Text: Hans Perscheid
Fotos: Archiv Hans Perscheid

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