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Walter Netterscheid
Moto-Cross auf höchstem Niveau

Pionier mit Zweitakt-Gespann


Wenn Netterscheid/Hoormann 1984 mit diesem Fahrrad-Gespann gestartet wären, wären sie damit im
Feld der schweren Viertakter genau so einmalig gewesen, wie mit ihrem leichten Wasp Honda-Gespann.
Das Foto entstand 1985, als sie mit dem Honda-Motor im Vorjahr unerwartet den zweiten Platz in der
Deutschen Meisterschaft errangen

Hans Georg Peppinghaus gab mit den entscheidenden Anstoß

Nach Hubert Overkamp und Erich Mies half bei Netterscheid im Boot eine kurze Zeit auch der mehrfache Deutschen Meister und schon legendären Hans Georg Peppinghaus („Peppi“) aus. Da hing in seinem Wasp-Rahmen noch der mächtige Yamaha XS 650-Motor.
Indessen gab es im Gespann-Cross schon immer einzelne Fahrer, die ihr Gespann von einem leichten Zweitaktmotor antreiben ließen. So etwa schon 1970 Schillings/Cremer aus Langerwehe mit einem Maico-Motor oder ein Jahr später Liebl/Schneider, die mit einem Jawa-Motor einen beachtlichen vierten Platz beim damaligen OMK-Pokal-Wettbewerb erreichten. 1983 fuhren ab der zweiten Jahreshälfte gar die Gebrüder Huwyler aus der Schweiz in der Weltmeisterschaft ein mit einem KTM-Zweitaktmotor angetriebes Gespann. Durchweg hatten diese jedoch immer nur einen gewissen Einzelgänger-Status, mit dem sie einige Zweitakttöne in den im übrigen überwältigenden Chor der Viertakter brachten. Podiumsplätze wurden indessen regelmäßig nur mit Viertaktmotoren errungen.

Hans Georg Peppinghaus gehörte in gewisser Weise auch zu den wenigen „Einzelgängern“, die sich ein Moto-Cross-Gespann mit Zweitaktmotor hielten. Bei Peppinghaus war es ein Honda CR 480-Motor. Netterscheid war mit dem hohen Gewicht von ca. 240kg, die sein mit dem vergrößerten Yamaha XS 650 Motor ausgerüstetes Gesann wog, nie so recht unglücklich. Die schwere Manövrierfähigkeit des Gespanns führte er auf das hohe Gewicht zurück.
Auf der Suche nach einem präziser und damit schneller fahrbareren Gespann nahm Walter Netterscheid im Winter 1983/84 gerne das Angebot Hans-Georg Peppinghaus an, einmal dessen leichtes Zweitaktegespann zur Probe zu fahren. Dieses geschah sodann mit Erich Mies im Boot auf der Motocross-Strecke in Satzfey. Nach einigen Eingewöhnungsrunden war Netterscheid von der bis dahin nicht gekannten Handlichkeit und der Lenkpräzision begeistert. Sein bisheriges Gespann mit dem zwar starken aber schweren Zweizylinder-Viertaktmotor von Yamaha brachte etwa 70 kg mehr auf die Waage, untersteuerte im Vergleich mit dem leichten Zweitaktgespann extrem und war nur sehr mühsam zum Kurswechsel zu bewegen. Die Probefahrt mit Peppis Gespann wurde für Netterscheid zu einem Schlüsselerlebnis. Ganz Pragmatiker fällte er danach den ganz unorthodoxen Entschluss, in der nächsten Saison 1984 auch so ein Motorrad mit Zweitaktmotor ggf. als „Einzelgänger“ zu fahren.

Zum Einsatz kam zunächst ein luftgekühlter Motor aus der Honda CR 500 mit tatsächlich 480 ccm.


Hans Georg (Peppi) Peppingaus 1995 nach einem Show-Rennen. Er zählt zu den bekanntesten Beifahrern im Moto-Cross-Gespannsport. Zu seinen Erfolgen gehören Vizeweltmeistertitel, Europameister- und mehrere Deutsche Meistertitel. 1984 errang „Peppi“ als Fahrer zusammen mit Rainer Lichtentäler als Beifahrer mit einem Wasp-Honda Zweitakt-Gespann den OMK-Pokal für Moto-Cross-Gespanne


1984 Warten auf die Fähre nach Finnland. Ralf Hoormann hatte sich im Hafen die Füße etwas vertreten


Mit dem Motor aus diesem Motorrad leitete Walter Netterscheid den Konzeptwandel im Deutschen Motocross-Gespannsport ein. Werksfoto Honda


Das Gespann mit dem Honda CR480R-Motor, den Otto Hermeling lieferte


Auch bei den ersten internationalen Rennen 1984 erstmals mit dem „kleinen“ und luftgekühlten Honda-Zweitakter lief es erstaunlich gut. Februar 1984 in Oss (NL)


Was dem kleine Honda-Motor an Leistung gegenüber den 1.000er Viertaktern fehlte das brauchte er auch nicht an Gewicht mitzuschleppen: Das Honda-Gespann wog etwa 70 kg weniger als das Yamaha-Gespann aus dem Vorjahr



Debüt mit Ralf Hoormann und Zweitakt-Motor
in Odenheim

Den neuen Wasp-Rahmen für die Saison 1984 hatte Walter Netterscheid von Friedhelm Zabel bezogen und von Otto Hermeling den Honda-Motor. In jener Zeit betrieben die beiden noch gemeinsam die Firma Hermeling – Zabel. Netterschei baute den Motor der Honda CR 500 ein selbst in den Wasprahmen ein. Friedhelm Zabel befasste sich in der Zeit ausschließlich mit Viertaktmotoren und wollte sich mir dem Honda-Zweitaktmotor auch gar nicht erst beschäftigen.

Natürlich brachte dieser relativ kleine Honda-Motor nicht die hohe Motorleistung der großen Viertakter von ca. 80 PS und mehr. Der brachte es mit seiner Luftkühlung nur auf etwa 55 PS. Eine der Fragen war, ob dieser Motor, dessen Leistung im Soloeinsatz mehr als ausreichend war, im Gespannbetrieb auf langen Bergaufpassagen oder Stecken im tiefen Sand nicht zu schwach war, wenngleich beim Springen, bergab und in den Kurven die Vorteile der Gewichtsersparnis klar auf der Hand lagen.


Im Februar 1984 fand das schon traditionelle Wintertraining in Odenheim in der Nähe des Hockenheim-Rings statt, wo sich die Deutsche Gespannelite traf. Dort ging es vielen Teilnehmern auch darum, die potenziellen Gegner der bevorstehenden Saison schon mal kritisch zu beäugen um einzuschätzen, wie denn die eigenen Chancen in dem noch jungen Jahr stehen. Voller Spannung fuhren auch Netterscheid/Hoormann zu dieser Veranstaltung. Wie mochte das leichte Zweitaktgespann gegenüber der hochqualifizierten Konkurrenz wohl im Wettbewerbseinsatz abschneiden?
„Ich erinnere mich noch gut, dass es an dem Tag ca. 15 cm hoch geschneit hatte. Ich war mit meinem neuen Beifahrer Ralf Hoormann und dem Honda-Gespann da runter gefahren. Der Klaus Weinmann meinte dann kurz nach meinem Erscheinen zu mir: „Ach der Netterscheid mit neuem neuem Beifahrer, und einem neuen Motorrad mit Zweitakter, dass klappt ja sowieso nicht; dann haben wir ja in diesem Jahr mit dem keine Probleme!“ Beim anschließenden Training lief es für uns auf dem leichten Honda-Gespann erstaunlich gut, den übrigen Teilnehmern hatte ich in der neuen Zusammensetzung ganz schön einen vorgeblasen, in dem Schnee; das klappte ganz hervorragend. Als wir uns abends wieder verabschiedeten, machten einige der Wettbewerber ganz schön lange Gesichter. Das vergesse ich nie“, so Walter Netterscheid lachend im Rückblick.

Netterscheid/Hoormann waren mit dem orientierenden Ergebnis von Odenheim sehr zufrieden: Die Handlichkeit des leichten Zweitakt-Gespanns war begeisternd und die geringere Motorleistung verlor ihre Brisanz mit dem um mehr als 70 kg geringeren Gewicht, das bewegt werden musste. Damit gab es kein zurück mehr zum Viertaktmotor.


Die Erfolge von Netterscheid/Hoormann waren mit dem Zweitaktmotor schon so hoch angesiedelt, dass der MSC-Euenheim für 1985 eine offizielle Autogrammkarte drucken ließ

Technische Schwierigkeiten verhinderten 1984 bessere Meisterschafteergenisse


Für die bekannten Hersteller und Lieferanten bewährter und ausgeklügelter Technik für die Cross-Gespannszene, waren die Zweitakter ebenfalls Neuland. Den Solisten lag am Motortuning nicht viel, weil für diese ja in der Regel Leistung ohnehin mehr als ausreichend vorhanden war. Für den Gespannbetrieb war Mehrleistung aber ein wichtiges Thema. „Ich selbst hatte ja auch von Motortuning keine Ahnung“, erzählt Netterscheid, „der Otto Hermeling hatte von diesen Motoren ebenfalls keine Ahnung und Erfahrung. Hermann Walgenbach aus Trier, der sich mit Motoroptimierungen (HEWA-Maico) in der Szene der Solofahrer schon einen Namen gemacht hatte, fing erst nach Netterscheids ersten Rennerfolgen an, sich grundsätzliche Gedanken zum Thema Zweitaktmotoren im Cross-Gespann zu machen. Klar bauten wir einen geschmiedeten „dicken“ Kolben von Mahle in den aufgebohrten Zylinder ein, aber diese gingen in der ersten Zeit fast regelmäßig fest, obwohl wir Versuche mit dem Schmieröl gemacht hatten usw. Für Walgenbach waren die aufgebohrten Zweitakter Neuland, weil sich mit dem einfachen Aufbohren des Zylinders die Fenster und damit die Steuerzeiten etwas verschoben. Und die Kolbenringe mussten beachtet werden, dass diese in den großen Löchern des Zweitaktzylinders nicht hängen blieben und zerbrachen. „Das war jedes mal ein teures Experiment, denn für so einen Kolben zahlten wir damals jeweils so um die vierhundert bis fünfhundert DM und besonders schmerzhaft war es dann, wenn der Motor ausgerechnet mal wieder bei einem Meisterschaftslauf festging. Schließlich stellte sich nach vielem Lehrgeld heraus, dass die aufgebohrten Zweitaktzylinder einfach ein Kolbenspiel von fast einem Millimeter benötigten um standfest zu sein. Die Zylinder durften einfach nicht zu eng geschliffen werden“. Erst 1987 war Walgenbach so weit, dass er Experimente mit der Form der Auspuffbirne machte, die für die Leistungsentwicklung und den Leistungscharakter der Zweitaktmotors ja so wichtig ist. Mitte der 1980er Jahre fuhr Walter Netterscheid mehrmals im Monat von Buschhoven nach Trier zur Werkstatt von Hermann Walgenbach, um inzwischen optimierte und entwickelte Motorteile einzukaufen oder einfach um Ersatzteile für beschädigte Teile zu besorgen.

Vom Erfolg und vom Glauben daran
Die Einsamkeit im Glauben an einen Erfolg des Zweitaktmotors im Gespann-Cross erfuhren Netterscheid/Hoormann auf dem Fährschiff zum WM-Lauf nach Finnland. Dort saßen die beiden mit dem EML-Besitzer Henning Winkelhuis zusammen in einer lockeren Unterhaltung. Dabei äußerte sich Winkelhuis skeptisch gegenüber Netterscheid: „Walter, mit einem Zweitaktmotor wirst Du nie einen WM-Lauf gewinnen!“ Darauf entgegnete ihm Netterscheid unbeirrt: „Dann pass mal gut auf, was du demnächst noch alles erleben wirst!“. Und tatsächlich konnten Netterscheid/Hoormann ihm bald beweisen, was mit dem leichten Zweitakter entgegen aller Unkenrufe möglich war.


1984 Walter Netterscheid mit seinen beiden Mechanikern vor der Fähre nach Finnland

Fazit 1984

Die Saison beendete das Team Netterscheid/ Hoormann im Boot und luftgekühltem Honda-Zweitaktmotor dennoch auf dem zweiten Platz in der Deutschen Meisterschaft. Dabei waren sie die einzigen in dieser DM, die einen Zweitakter benutzten.

Die Weltmeisterschaft in diesem Jahr wurde mit dem 14. Platz abgeschlossen. Zwar hatten die technischen Probleme bessere Platzierungen verhindert, aber zumindest hatte Walter Netterscheid erfahren und gelernt, wo und wie konkret das Gespann mit dem Zweitaktmotor noch verbessert werden musste. Das schaffte positive Perspektiven.

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