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Markus Enbergs: Die BMW R 75/05 gehört zur Familie

Es war eine besondere Ehre für mich, dass ich von Motorradfreunden zur Teilnahme an einem Motorrad-Korso anlässlich der Hochzeit von Mike und Tina eingeladen wurde. Hatten doch das Hochzeitspaar als auch der spezielle Hochzeitsgast Jürgen Vorzepf in der Vergangenheit schon mehrmals an den vom MVC-Brenig angebotenen Motorradtouren mitgemacht. Beim Warten vor der Dersdorfer Kirche St. Albertus Magnus lernte ich schließlich außer dem mir nur schon bekannten Theo Zimmermann auch noch die übrigen Korso-Teilnehmer als nette Menschen kennen, darunter einer mit einer BMW R 75/5.

Natürlich zog mich dieses inzwischen klassische BMW-Motorrad an. ”Wie viel hat die schon gelaufen?”, sprach ich einfach den Fahrer an, während die Hochzeitgäste in der Kirche noch nicht bei der Kommunion angelangt waren. ”Weiß ich nicht ganz genau,” antwortete mir der Angesprochene, ”bei mir sind es in den letzten 18 Jahren knapp 50.000 km gewesen, hinzu kommen noch die Kilometer des einzigen Vorbesitzers.” Mit dieser Antwort war mir sofort klar, dass ich es hier mit einem Beziehungsmensch zu tun habe, dem Überzeugung, Geduld und Zuverlässigkeit offenbar viel bedeuten. Weil ja nur überzeugte Menschen das Zeug dazu haben, andere von irgendetwas zu überzeugen, wollte ich ihn näher kennen lernen. Zu meiner Freude nahm er am nachfolgenden Sonntag an meiner lockeren ”Tour mit Motorrad-Youngtimern in die Eifel” teil. Anschließend fand sich ein Termin, bei dem ich die Informationen und die Fotos für den vorliegenden Aufsatz zusammentragen konnte.

Die Motorisierung begann für Markus Enbergs mit einem Mofa von Herkules. Dieses Mofa war schließlich so leistungsstark, dass er damit bis zu seinem 18. Lebensjahr seine Mobilitätswünsche befriedigen konnte. Dann erstand er kurzfristig den Auto- und den Motorradführerschein.

Beim Kauf seines ersten richtigen Motorrades hatte er sich an dem orientiert, was er schon aus der Fahrschule kannte: es war eine Honda 400 N. Im Jahr 1988 hatte er endlich sein Wunschmotorrad gefunden und eine gebrauchte R 75/5 gekauft. Was die BMW damals genau gelaufen hatte, war nicht ganz klar, zwar zeigte der Tacho erst 58.000 km an, dennoch erwies sich bald der Kauf ”aus erster Hand” nicht als Qualitätsmerkmal: Das größte Problem war der Vorbesitzer gewesen, der viel an der Maschine herumgebastelt hatte, ohne hinreichende Kenntnisse und Geschick dafür zu haben. Mehr und mehr zeigten sich bald so gravierende Bastelmängel, dass Motor und Getriebe total zerlegt werden mussten. Der Motorblock hatte mal einen Riss im Gehäuse, der allerdings schon fachgerecht – offenbar also nicht vom Vorbesitzer selbst – geschweißt worden war; die Zahnräder des dritten Ganges sahen übermäßig verschlissen aus, weil bei der letzten Montage wichtige Distanzscheiben falsch auf die Getriebewelle platziert worden waren. Es sah also übermäßig viel nach Verschleiß aus und musste deshalb gegen Neuteile ausgetauscht werden. Bei dieser Gelegenheit wurden auch gleich alle Lager und Wellendichtringe erneuert.


Schon immer hatten Führerschein-Neulinge eine besondere Beziehung zu ihrem Fahrschul-Motorrad. Bei Markus war es die Honda CB 400 N.

Anfang der1980er Jahre war diese Honda das anspruchslose Einsteiger-Motorrad schlechthin und führte als solche jahrelang die Hitlisten an. Zwar war sie keine Rennmaschine, dafür jedoch sehr vielfältig, sowohl im Solo als auch im Soziusbetrieb.

Leider kam es kurze Zeit später als Folge eines weiteren Montagefehlers des Vorbesitzers bei der Fahrt auf der Autobahn zu einem Ventilabriss am linken Zylinder. Der Kipphebelbock der R 75/5 muss - im Gegensatz zu denen modernerer BMW Zweiventiler - mit Schablone eingebaut und ausgerichtet werden, weil sonst Ventile und Ventillager schief stehen und zu schnell verschleißen. Offenbar hatte der Vorbesitzer hier nicht mit dieser gebotenen Präzision gearbeitet was in letzter Konsequenz die Ursache des Ventilabrisses war. Seine Frau erlebte diesen bösen Motorschaden als Sozia aus nächster Nähe in aller Betroffenheit mit. Weil er als letzter der Gruppe fuhr, war dieses der übrigen Gruppe viel zu spät aufgefallen. Zum Glück ereignete sich der Schaden auf der A 59 kurz vor der Überquerung der Rheinbrücke in Bonn. Nach kurzem Stopp resümierte Markus, dass der Motor ohnehin ruiniert war, und schleppte sich samt liebster Sozia alleine mit der Kraft des intakten rechten Zylinders auf den Achsen der maladen BMW bis nach Üllekoven. Kopf, Kolben und Zylinder mussten anschließend gründlich überholt bzw. ersetzt werden. Äußerlich erhielt der Lack eine Renovierung.

Im Jahre 1990 war die R 75/5 endlich für Markus so weit hergestellt, dass sie sich ”zum Touren eignete”.


Das Foto entstand 1988 nach ersten Renovierungsmaßnahmen am Anfang einer langen Beziehung.

Die Cockpitverkleidung ist nur wenige Jahre jünger als das Motorrad und stammt von der BMW R 100 S.




Isle of Man 1990 unmittelbar an der Rennstrecke der TT.
In der Mitte des Bildes leuchtet rot der Tank der R 75/5

Gefahren wurde viel in jenen Jahren, und das so gut wie nie alleine. ”Wir waren damals eine Gruppe von durchschnittlich 10 Leuten aus dem Vorgebirge, die am Wochenende Hunderte von Kilometern tourten, mal mit und mal ohne Frauen. Für die Fahrt zu Zweit war die R 75/5 bei diesen Aktivitäten kaum zu schlagen”. Zweimal reichte die Tour sogar bis zur Isle of Man, wo man die Rennen zur berühmt-berüchtigten Tourist Trophy (TT) erlebte. Auch die Tatsache, dass es beide Male fast die ganze Zeit über nur britischen Regen gab und als Unterkünfte lediglich das auf dem Motorrad transportable Zelt ausschließlich im Matsch zu stehen kam, konnte das alles der Begeisterung keinen Abbruch tun.

1994 wurde sich Markus schon bewusst, dass sich die R 75/5 langsam zu einem Liebhaberfahrzeug entwickelte. Um diese Wertschätzung ggf. auch der Kaskoversicherung gegenüber unter Beweis stellen zu können, ließ er sich von einem öffentlich bestellten und amtlich vereidigten Sachverständigen ein Wertgutachten erstellen. Heute, 12 Jahre später ist dieses selbst schon ein historisches Dokument, das sich insofern aus mehrfacher Hinsicht mit Interesse lesen lässt. Ob des guten Erhaltungszustandes testierte der Sachverständige damals schon einen Wert von 9.000,00 DM.

Die letzte größere Investition erfolgte schließlich im Jahre 2000, als die Zylinderköpfe auf Bleifreibetrieb umgebaut wurden.

Von 1987 bis 2006 legte Markus Enbergs mit der R75/5 knapp 50.000 km zurück. Es wären auch noch mehr geworden, wenn er Ende der 1990er Jahre zusätzlich immer wieder modernere Motorräder für seine vielen Touren verwendet hätte und mehr und mehr das Touren durch die wachsende Familien ersetzt wurde. Zunächst war es eine Suzuki GSX 750 F und seit 2005 eine BMW F 650 Dakar. Sein Resümee: ”Um zügig in der Eifel unterwegs zu sein, reichen 50 PS allemal!”, was ich selber nur bestätigen kann.


Äußerlich hat sich seit 1988 lediglich die Sitzbank verändert. Die originale Bank wurde mal gegen eine noch bequemere getauscht.



Als ich Markus frage, warum er denn die BMW überhaupt so lange behalten habe, nennt er mir als wichtigsten Grund gleich vorweg: ”Die BMW gehört einfach zu Familie!” Dieses Motorrad habe in seiner Beziehung zu seiner Frau von Anfang an eine wichtige Rolle gespielt, was mit den vielen Touren der beiden zusammenhänge. Und mit seinen Kindern habe er auch schon schöne Touren mit der BMW gemacht, teils mit Zelt und Übernachtung.

Außer der familiären Beziehung zur R 75/5 habe er da auch noch seine ganz persönliche fahrerische Beziehung, die sich aus dem ”Bocken” - damit meint er die spürbare Kardanreaktion beim Gasgeben, dem Krachen des Getriebes, der Art des Motorlaufes und dem Fahrgefühl auf der ”Gummikuh” schlechthin ergeben.
In Beziehungen sind es eben immer die besonderen Charaktereigenschaften, welche die Partner anziehen oder abstoßen. Die Charaktereigenschaften der R 75/5 können auf Markus allerdings nur anziehend gewirkt haben, denn sonst hätte sie nicht schon annähend die Hälfte seines Lebens beanspruchen können und er hätte auch nicht so viel Zeit und Geld in den Erhalt der R 75/5 gesteckt.


Die BMW wurde seit der Restaurierung 1990 nur gefahren und gepflegt. Am Zündfunken ist immer noch ein Unterbrecher beteiligt, obwohl Markus Enbergs als gelernter Nachrichtentechniker handwerklich kein Problem mit der Umstellung auf wartungsfreie Elektronikbauteile gehabt hätte.

Text: Hans Peter Schneider
Fotos: Jürgen Vorzepf, Markus Enbergs und Hans Peter Schneider

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